IM LADEN AN DER ECKE
: Ideologie und Tomate

Jetzt will ich nicht mehr reden. Ich bezahle

Vor ein paar Tagen habe ich bei Tarkan Tomaten und Fladenbrot eingekauft. Mit seinen Eltern betreibt er einen kleinen Laden bei mir um die Ecke. Tarkan ist ein freundlicher und – so dachte ich es bis vor Kurzem – gescheiter junger Mann. Im Laden ist nichts los, und während Tarkan die Tomaten wiegt, frage ich ihn, ob ihm die Pegida-Bewegung Angst mache. Er antwortet: „Es wird einen Krieg der Religionen geben. Davon bin ich überzeugt. Schau, auf der einen Seite Pegida und auf der anderen Seite der Terroranschlag auf Charlie Hebdo. Der Westen ist gegen die Islamisierung des Abendlandes, und die muslimischen Staaten sind gegen die Verwestlichung ihrer Gesellschaften. Es wird Krieg geben.“

Ich verneine Tarkans weltpolitische Betrachtungen, woraufhin er sich in Rage redet: „Das ist doch mal wieder typisch Westen. In Frankreich werden ein paar Menschen umgebracht, und alle drehen durch. Aber niemand spricht hier über all die getöteten Palästinenser. Und verrate mir einmal, warum der Westen nahezu nichts gegen Boko Haram und den IS unternimmt.“ Jetzt wird es richtig übel, denke ich. Tarkan sagt: „Ich sage dir, warum das so ist. Wenn Moslems andere Moslems töten, ist dies gut für Israel. Und wenn die Moslems die Bösen sind, ist dies auch gut für Israel. Es gibt Beweise, dass der Mossad die Terrorkämpfer des IS unterstützt.“ Jetzt will ich nicht mehr reden. Ich bezahle. Manchmal ist das Leben zum Kotzen, denke ich. Da sagt mir dieser Typ doch tatsächlich, dass die Juden mal wieder an allem schuld sein sollen. Und Beweise dafür will er auch noch haben, wahrscheinlich hat er die auf irgendeiner Scheiß-Internetseite gefunden. Es gibt einfach zu viele Irre in dieser Stadt. Aber wenn es so viele Irre gibt, spinne ich meinen Gedanken weiter, hat dieser durchgeknallte Typ mit seiner Kriegsprophezeiung möglicherweise doch recht. Mist. Scheiße.

ALEM GRABOVAC