lubawitsch meets vattenfall
: Sushi in der Synagoge

Ganz koscher ging es am Donnerstagabend nicht zu im Jüdischen Bildungszentrum Chabad Lubawitsch. Etwa als Hans-Achim Grube, Immobilienvorstand von Vattenfall, die Tora-Rollen im Rücken, „Wertsteigerungen im Denkmalmanagement“ lobte. Als der Architekt der Synagoge im Haus, Sergei Tchoban, zugab, von jüdischer Kultur nicht allzu viel zu verstehen. Und als Rabbi Yehuda Teichtal, der Leiter des Bildungszentrums, jeden Rest weihevoller Gestimmtheit mit der Bemerkung begrub, eine Tat sei mehr wert als tausend Gefühle. Denn: „Gefühle bringen kein Ergebnis.“

Gemeint haben dürfte Teichtal ein ganz bestimmtes Ergebnis: das Anfang September eröffnete Bildungszentrum, untergebracht in einem 1922 von Otto Hanke errichteten Umspannwerk der Bewag, die inzwischen Vattenfall heißt.

Der deutsch-russische Architekt Sergei Tchoban hat den hohen, als Synagoge genutzten Hauptraum mit edlem amerikanischem Nussbaumholz ausgekleidet und eine elegante Empore hineingespannt. In den übrigen Räumen sind unter anderem eine Bibliothek, ein koscheres Restaurant und ein traditionelles jüdisches Bad, die Mikwe, untergebracht. Das Zentrum ist damit keineswegs der einzige, aber vielleicht der originellste Neunutzer von rund 140 größtenteils denkmalgeschützten Industriebauten, die für Vattenfall nicht mehr betriebsnotwendig sind.

Vier davon, darunter die Synagoge, werden in einem nun publizierten Buch in Coffeetable-Format näher besprochen. Vor allem aber bieten sich darin 19 weitere, bislang ungenutzte Anlagen potenziellen Investoren an. Der 128 Seiten starke Band heißt „New Power. Elektropolis im Wandel“. Herausgeber: Hans Achim Grube alias Vattenfall.

So ganz wohl fühlte sich Grube, Kippa auf dem Kopf, in der Wilmersdorfer Synagoge dann offenbar auch nicht. Er trat an, ein augenscheinlich solventes Publikum von der Investition in die oft bildschönen Industriebauten zu überzeugen. „Das Buch soll Appetit machen auf Umnutzung“, druckste er, und: „Vattenfall ist extrem kreativ, was die Vertragsgestaltung angeht.“

Rabbi Teichtal, ein außergewöhnliches Unterhaltertalent mit amerikanischem Akzent, griff Grube bereitwillig unter die Arme und lobte Vattenfall als kooperativen und verlässlichen Vertragspartner. „Haben Sie noch Fragen?“, wandte sich der an das geladene Publikum. Teichtal unterbrach: „Sie haben die Frage falsch gestellt: ‚Wer hat keine Frage?‘, müssen Sie sagen.“ Gelächter, aber keine Fragen. Stattdessen Buffet im ersten Stock.

Der Kontrast zwischen kühl designtem Sakralraum und Festsaal, wo der hauseigene Catering-Service, so versicherte Teichtal, Berlins einziges koscheres Sushi servierte, hätte größer nicht sein können. Brokatene Vorhänge, planschbeckengroße Deckenlüster, Plastikstuck und Mahagoni-Täfelung boten das richtige Umfeld für die Veranstaltung: eine PR-Show, kulturgetarnt, amerikanisch und exzellent bewirtet.

SVEN BEHRISCH