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: Ein Phantom als Symbol

Ein Phantombild von Maddies Entführer offenbart die schleichende Ikonisierung des Falles

Seit einem halben Jahr gilt die vierjährige Madeleine als vermisst. Seit einem halben Jahr leben die Eltern in einem quälenden Unwissen über das Schicksal ihrer Tochter. Und seit einem halben Jahr kommen die Ermittlungen nicht voran: Mal wurden die Eltern selbst verdächtigt, mal soll das Mädchen in Marokko gesehen worden sein. Nun haben die Eltern der Vermissten ein Phantombild veröffentlicht. Von einer „neuen wichtigen Phase der Ermittlungen“ sprach Clarence Mitchell, Sprecher der Familie McCann. Darauf zu sehen: ein 1,67 Meter großer Mann mittleren Alters mit einem Kind auf dem Arm. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen.

Phantombilder haben gewöhnlich den Zweck, einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Ermittlungen zu fördern. Doch dieses Exemplar ist nahe an der Trivialität. Denn es zeigt nicht mehr, als jeder längst weiß: Madeleine wurde entführt, ja. Und der Täter war wohl männlich, auch das ist höchst wahrscheinlich. Zur Aufklärung des Falles dürfte das Bild also kaum beitragen. Viel mehr als in die Zukunft weist es in die Vergangenheit, will erinnern und festhalten, wo Vergessen und Routine drohen. So trägt es eher zu einer Ikonisierung des Mädchens als zu einer Aufklärung des Falles bei. PHM