„Wir arbeiten an einem Horrorspiel“

WARTEN ODER STARTEN Die Spieleentwickler von Crazy Bunch glauben an die Zukunft der virtuellen Realität. Derzeit setzen die Hamburger auf eine Brille namens „Oculus Rift“ – die noch gar nicht auf dem Markt ist

■ 29, zog 2012 nach Hamburg und hat vorher Mathe- und Informatik studiert. Mit seinen Kollegen hat er das Entwicklerstudio Crazy Bunch gegründet und ist dort für „Research and Development“ zuständig

INTERVIEW FRIDA KAMMERER

taz: Herr Schmidt, ist Hamburg das neue Silicon Valley?

Heiner Schmidt: Um ehrlich zu sein, das weiß ich nicht. Es gibt in Hamburg viel Videospielindustrie und viele Softwarefirmen, die sich vor allem auf neue Plattformen spezialisieren – wie eben Virtual Reality. Das ist gerade groß im Kommen. Da wollen wir auf jeden Fall mitmischen, aber leider gibt es noch keine markttauglichen Geräte.

Woran liegt das?

Gute Frage, vielleicht kommt das echte Silicon Valley nicht nach? Es gibt noch keine Terminankündigungen für Spiele oder sonstige Software.

Trotzdem haben Sie sich selbstständig gemacht, um Software für die Virtual-Reality-Brille „Oculus Rift“ zu entwickeln.

Es gab in den 1990er-Jahren verschiedene Virtual Reality Projekte von Videospieleherstellern wie Nintendo. Das ist damals absolut gefloppt. Die Technik war noch nicht so weit: Es gab kein Headtracking, die Kopfbewegungen wurden nicht erfasst. Man musste starr vor dieser Brille sitzen, die nur in Rot verschwommene Bewegungen darstellen konnte. Heute kann man wirklich von virtueller Realität sprechen. Das einzige Problem, das wir noch haben, ist, dass wir nicht wissen, wann die finalen Versionen der Oculus Rift für Endkunden kommen.

Warum nicht?

Das liegt vor allem daran, dass es noch keine wirkliche Steuermöglichkeit gibt. Würde man einen normalen Konsolencontroller nehmen, würden die Bewegungen der Figur nicht mit der Wahrnehmung übereinstimmen. Man würde seekrank. Unsere Kollegen von VR-Nerds haben etwas mit den Move-Kontrollern der Playstation entwickelt, was dieses Problem durch intuitive und natürliche Armbewegungen behebt. Aber das ist noch in den Kinderschuhen.

Die Entwicklerversion der Oculus Rift kostet knapp 400 Dollar. Werden die Nutzer so viel Geld für eine Brille ausgeben?

Es wird eine neue Plattform werden. In den 1990er-Jahren kam zu Nintendo und Sega noch Sony mit der Playstation als Konkurrenz. In den 2000er-Jahren dann noch Microsoft mit der X-Box. Diese Konsolen kosten heute oft mehr als 400 Euro. Die Oculus Rift wird laut Hersteller bei knapp 200 Euro liegen. Dafür haben die Nutzer dann eine neue Plattform, die zwar nicht ganz unabhängig von anderen Systemen ist, aber trotzdem eigenständig agiert.

Die Brille gibt es seit 2012, aber bisher gibt es weder Software dafür noch Spiele, die verkaufsfähig sind.

Hätten wir uns schon 2012 selbstständig gemacht und auf Virtual Reality gesetzt, dann wären wir wahrscheinlich pleite. Es ist noch schwierig, Partner zu finden und Investoren. Wir haben auch schon über Crowdfunding nachgedacht. Aber dafür sind wir noch zu klein.

Und wie geht es jetzt weiter?

Wir haben uns vorgenommen, einen Starttitel zu entwickeln. Bei Markteintritt der Oculus Rift wollen wir dabei sein. Der Markt schwankt momentan noch sehr, die Entwicklungen sind merkwürdig. Zum Beispiel sind die ersten fertigen Virtual-Reality-Produkte Smartphones. Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, ich hätte es nie geglaubt.

Wie funktioniert Virtual Reality mit dem Smartphone?

Es gibt da verschiedene Ansätze: Samsung hat eine eigene Brille entwickelt – die war binnen eines Tages ausverkauft. Das ist jetzt tatsächlich das erste massentaugliche Produkt. Google hat eine Pappbox gebaut, die man für zehn Euro im Internet bestellen kann. Da kann man sein Smartphone einspannen und beispielsweise Youtube-Videos in 3 D schauen – natürlich müssen die dann auch entsprechend produziert sein.

Wie halten Sie sich derzeit über Wasser?

Durch Auftragsarbeiten, wir programmieren vor allem. Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft. Aber auch 360-Grad-Videos werden gerade von Fernsehsendern und der Erwachsenenindustrie angefragt, da werden dann zum Beispiel Filme aus einem Fahrzeug aufgenommen, und man sieht dann die Umgebung wirklich aus einer absoluten Rundumansicht, ähnlich wie bei Google Streetview.

Welche Virtual-Reality-Spiele haben Sie in der Produktion?

Wir arbeiten unter anderem an einem Horrorspiel. Wobei wir immer Magenschmerzen hatten, es „Horror“ zu nennen. Es soll eher eine Art Gruselspiel sein – dabei wollen wir die Spieler nicht zu sehr erschrecken. Man darf diese Virtual Reality echt nicht unterschätzen. Wenn man ganz normal auf einem Bildschirm ein Horrorspiel spielt, und man von einem Zombie oder Monster angegriffen wird, dann schreckt man nur kurz hoch. Wenn man die Oculus Rift trägt, hat man nur diesen Blickwinkel, es gibt kein links und rechts daneben. Man kommt also nicht so schnell aus dieser Situation heraus und es können echte Angstzustände entstehen. Das schlimmste wäre, wenn sich der Spieler so erschreckt, dass er das Spiel weglegt und nie wieder anfasst.

Außer in Videospielen gibt es Virtual Reality ja auch in der Forschung und in der Therapie.

Virtual Reality wurde klassischerweise genau für sowas eingesetzt. Zwar floppte das System immer bei Videospielen, aber das Militär nutzt diese Technik zum Beispiel für Trainingssimulationen. Oder bei Piloten für Flugsimulationen. Bei der Therapie können sich Leute so besser an Situationen gewöhnen. Wenn jemand zum Beispiel eine Arachnophobie hat, kann man so eine Spinne auf seiner Hand simulieren. Der Patient kann sich dran gewöhnen, ist aber durch Abnehmen der Brille sofort aus der Situation weg.

Wo sehen Sie Virtual Reality in fünf Jahren?

Ich glaube, Videospiele werden der erste große Markt sein. Es wird auch andere Sachen geben, wie 3-D-Filme auf dem Smartphone, das ist auch attraktiv. Man kann mit der Oculus Rift eine beliebig große Welt erzeugen – auch eine riesige Leinwand, die nie ins eigene Wohnzimmer passen würde. Aber noch fehlt der soziale Aspekt. Die Leute werden lieber auf Facebook chatten oder sich persönlich treffen. Virtual Reality ist so ein Einzelding, das muss noch ausgebaut werden.

Und, gibt es da schon Ansätze?

Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, hat die Oculus Rift gekauft und sah es auch eher als langfristige Investition. Er rechnet eher mit zehn Jahren. Ich denke, in den nächsten fünf Jahren werden die Leute einfach anfangen, Virtual Reality zu nutzen. Es ist ziemlich überzeugend.