Von Grundsätzen verabschiedet

BLEIBERECHT Begrenzter Abschiebestopp für Roma in der Bürgerschaft chancenlos. SPD-Mehrheit will lieber weiter Einzelfälle geprüft sehen

„Menschlichkeit Fehlanzeige!“

Antje Möller (GAL)

Bewegen mochte sich die SPD-Fraktion nicht: Vor der Bürgerschaftsdebatte kündigte sie gestern an, dass sie dem Antrag der GAL, während des Winters keine Roma nach Serbien, Mazedonien und in das Kosovo abzuschieben, nicht zustimmen werde. Stattdessen wolle man weiterhin jeden Einzelfall sorgfältig prüfen, sagte der SPD-Abgeordnete und Innenausschuss-Vorsitzende Ekkehard Wysocki.

Damit sei Hamburg „im Einklang mit den Verfahrensweisen der anderen Bundsländer“, so Wysocki. Der GAL warf er vor, die heutige Praxis „über zwei Winter in Regierungsverantwortung mitgetragen“ zu haben – einen Abschiebestopp für Roma habe es auch unter Schwarz-Grün „nicht gegeben“.

GAL und Linksfraktion beklagten, dass die Einzelfallprüfungen in der Praxis „eine Farce“ seien und die Ausländerbehörde ihre Spielräume nicht nutze. „In keinem einzigen Fall“ seien „Entscheidungen zugunsten der Menschen gefallen“, sagte Antje Möller (GAL).

Mit der bei Redaktionsschluss absehbaren Ablehnung des Grünen-Antrags ist nach GAL-Berechnungen der Weg frei für die Abschiebung von bis zu 900 Roma. „Die SPD-Fraktion hat sich damit von humanitären Grundsätzen verabschiedet“, so Möller. „Die persönlichen Notlagen der Menschen interessieren nicht. Menschlichkeit Fehlanzeige!“ Ihre Fraktion hatte eine namentliche Abstimmung beantragt.

Auch Christiane Schneider (Linksfraktion) rechnete verbal mit der Flüchtlingspolitik des Senats ab. Es sei „ein Mindestgebot der Humanität, die Abschiebung zumindest in den Wintermonaten auszusetzen“. In Richtung der SPD forderte Schneider, sie solle, „nachdem sie die GAL niedergestimmt“ habe, doch bitte das „sozial“ und das „demokratisch“ aus ihrem Namen streichen – und sich „schlicht und ehrlich als Partei Deutschlands bezeichnen“.

In den zuständigen Ausschuss überwiesen wurde ein FDP-Antrag für eine „Bundesratsinitiative für eine stichtagunabhängige gesetzliche Bleiberegelung“ für langjährig geduldete Migranten ohne Aufenthaltstitel. Zurzeit, so die Antragsbegründung, in der die Roma als betroffene Gruppe nicht erwähnt werden, sei „es nicht möglich, bei einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt der Integrationsleistung des Einzelnen ausreichend Gewicht zu verschaffen“. Wer sich also in Schule, Job und Gesellschaft gut einfügt, der soll aus Sicht der Liberalen auch dauerhaft bleiben können – selbst, wenn er die rechtlichen Voraussetzungen dafür eigentlich nicht erfüllt.

Dem Senat empfiehlt die FDP, eine entsprechende Bundesratsinitiative des Nachbarlandes Schleswig-Holstein zu unterstützen. Was allen, die akut von der Abschiebung bedroht sind, freilich noch nicht weiterhilft. MARCO CARINI