„Die soziale Ungleichheit bleibt“

KRISENMANAGEMENT Union und Grüne loben Steinmeiers Vorstoß. Medico International hält Grundprobleme für ungelöst

BERLIN taz | Bürger und zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Deutschland, außenpolitische Experten und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts haben sich in den vergangenen zwölf Monaten an dem Projekt „Review 2014“ beteiligt, in dem es um die deutsche Außenpolitik ging. Am Mittwoch stellte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Ergebnisse der Presse vor, am Abend diskutierte er sie – bei einer Feierstunde zum 60. Jubiläum der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ –, im Weltsaal des Auswärtigen Amts mit Christoph Bertram, dem Exdirektor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Steinmeier kündigte dabei auch an, das Auswärtige Amt mehr öffnen und über Twitter und Facebook die Kommunikation verbessern zu wollen. Zudem soll es noch in diesem Jahr im Auswärtigen Amt eine „Bürgerkonferenz“ zur Außenpolitik geben.

Der Koalitionspartner lobt ihn dafür. „Für den Bundestag bedeutet dieser Prozess, dass abseits von Mandatsdebatten noch deutlicher wird, auf welcher Basis außenpolitische Entscheidungen getroffen werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, der taz. Die Erwartungen an die deutsche Politik seien stark gestiegen. „Es wäre jedoch falsch, die gewachsene Verantwortung Deutschlands mit der Notwendigkeit eines stärkeren militärischen Engagements in der Welt gleichzusetzen.“

Auch der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, lobte Steinmeiers Reformwillen. Zugleich vermisst er eine ordnende Hand. „Es gibt ja auch noch die Zukunftscharta des Entwicklungsministeriums und das ‚Weißbuch‘ des Verteidigungsministeriums“, sagt er der taz. „Aber wenn es um die außenpolitische Rolle Deutschlands in der Welt geht, dann reicht es nicht aus, wenn jedes Ministerium seine eigenen Leitlinien entwickelt. Das Kanzleramt sollte alle beteiligten Ressorts mal an einen Tisch bitten“, fordert der Grüne.

Thomas Gebauer von Medico International dagegen übt grundsätzliche Kritik an der deutschen Außenpolitik. „Die Politik konzentriert sich zu sehr auf das Management aktueller Krisenherde. Aber das Grundproblem der wachsenden sozialen Ungleichheit bleibt außen vor“, findet er. „Expertenstäbe beraten, wie die sozialen und ökologischen Schäden solcher Krisen eingedämmt werden können. Aber die Strukturen, die sie verursacht haben, bleiben unangetastet. Wenn die Reformen im Auswärtigen Amt daran etwas ändern würden, wäre das gut.“

Kommende Woche wird Gebauer als Sachverständiger vor dem Ausschuss für humanitärer Hilfe und Menschenrechte sprechen und für einen Wandel, von kurzatmiger „Sicherheitspolitik“ zu einer nachhaltigeren, globalen Sozialpolitik plädieren.

DANIEL BAX