Der Blasse schlägt die „harte Hand“

Der liberale Álvaro Colom hat die Stichwahl um die Präsidentschaft in Guatemala gewonnen – Regieren wird schwierig

FREIBURG taz ■ Alles hatte darauf hingedeutet, dass Guatemalas Zukunft dunkel sein würde. In den letzten Umfragen vor der Stichwahl um die Präsidentschaft vom vergangenen Sonntag war stets Otto Pérez Molina in Front gelegen. Der General im Ruhestand, einst Chef der wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gefürchteten Präsidentengarde, hatte eine „harte Hand“ gegen Kriminelle versprochen. Angesichts von über 5.000 Morden pro Jahr schien das die Guatemalteken zu überzeugen. Sein Gegenkandidat, der liberale Textilunternehmer Álvaro Colom, erschien dagegen blass und wankelmütig. Nun hat er doch gewonnen. Als 96 Prozent der Stimmen ausgezählt waren, lag Colom mit 52,7 Prozent vor Pérez (47,3 Prozent). Sein Sieg, sagte er in seiner ersten Ansprache als gewählter Präsident, sei „ein Nein zur tragischen Geschichte Guatemalas“. Die „harte Hand“ seines Gegners habe im Bürgerkrieg (1960 bis 1996) „250.000 Tote zur Folge gehabt“.

Trotzdem ist nicht alles gut. Colom, der zuvor schon zweimal vergeblich kandidiert hatte, wird seine vierjährige Amtszeit am 14. Januar als schwacher Präsident antreten. Zum einen gingen am Sonntag gerade einmal 35 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne. Zum anderen hat er im Parlament zwar die stärkste Fraktion, aber lange keine Mehrheit hinter sich. Colom wird sich Allianzen suchen müssen. Dabei kann ihm eine Eigenschaft nützlich sein, die ihn im Wahlkampf im Vergleich zu dem eindeutigen Pérez schwach erscheinen ließ: Der 56-Jährige ist nur schwer festzulegen und versteht es, zwischen linken Gruppierungen und neoliberalen Unternehmern hin und her zu lavieren.

Wunder darf man von ihm nicht erwarten. Aber immerhin: Die eben begonnene Aufarbeitung der Vergangenheit kann fortgesetzt werden. Zudem hat Colom ein Armutsbekämpfungsprogramm angekündigt, das Guatemala bitternötig hat: Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als 2 Dollar am Tag.

Es wird nicht einfach werden, dies zu finanzieren und durchzusetzen. Guatemalas Unternehmer zahlen nicht gerne Steuern. Das Land hat eines der weltweit niedrigsten Steueraufkommen. Zudem droht Gefahr von ganz rechts: In den Tagen vor der Stichwahl blockierten ehemalige Paramilitärs Straßen im ganzen Land. Die einstigen Helfer der Armee wollen für ihre schmutzigen Dienste im Bürgerkrieg entschädigt werden. Der rechte Präsident Alfonso Portillo (2000 bis 2004) hatte ihnen das versprochen und eine erste Rate ausbezahlt. Jetzt fordern sie mehr. Und dann ist da noch das Problem mit der Kriminalität. Auf Colom warten Aufgaben, die selbst einen starken Präsidenten überfordern könnten. TONI KEPPELER