Im Spielzeugparadies

Der Flensburger Beate Uhse-Konzern rechnet für dieses Jahr mit einem Verlust von sechs bis acht Millionen Euro. Der steht in Zusammenhang mit einem Umbau des Konzerns in Richtung Lifestyle

Das Unternehmen Beate Uhse ist seit 1999 an der deutschen Börse notiert. Die Aktie startete mit einem ersten amtlichen Kassakurs von 13,20 Euro. Im März 2007 stand die Aktie bei etwa 4,80 Euro, nachdem im Jahr 2006 ein Wasserschaden im Hauptlager das Weihnachtsgeschäft und damit die Bilanz verregnet hatte. Momentan dümpelt die Aktie auf einem Tief um die 2,40 Euro. Hauptaktionär ist Ulrich Rotermund, der Sohn der 2001 gestorbenen Firmengründerin Beate Uhse: Rotermund hat ein Aktienpaket von fast 30 Prozent, das er zum Verkauf gestellt hat. Rund 50 Prozent der Aktien sind im Streubesitz, 20 Prozent gehören Investoren aus den Niederlanden. Mit der Neuausrichtung reagiert Beate Uhse nun auf schrumpfende Verkaufszahlen bei Videos und DVDs, die früher zum Hauptangebot gehörten.  TAZ

VON KLAUS IRLER

Mal universal von außen betrachtet gibt es beim Sex heutzutage also zunächst den „überinformierten Einsteiger“. Viel Jünger als in vergangenen Jahrzehnten ist er und sein Leben lang wurde er medial zugeballert mit Informationen, wie was läuft. Der theoretischen Überinformation steht ein Mangel an Praxis gegenüber, und der könnte ihn in einen der neuen, zentral gelegenen Läden von Beate Uhse führen. Dort nämlich möchte man unter anderem auch die Aufklärungsschiene wieder bedienen, etwa durch ein „Das-Erste-Mal-Kit“. 1a-Qualität und absolut fern aller Heimlichkeit, mit der Firmengründerin Beate Uhse 1947 ihre Aufklärungsbroschüre „Schrift X“ verkaufen musste.

Identifiziert hat den „überinformierten Einsteiger“ der Zukunftsforscher Matthias Horx, der sich im Auftrag des Unternehmens mit den Sexshop-Kundenkreisen von Morgen beschäftigt hat. Nötig wurde das, nachdem der Konzern immer weiter schrumpfende Verkaufszahlen bei Videos und DVDs registrieren musste und Vorstandschef Otto Christian Lindemann „keinen Spaß mehr“ hatte mit einem Aktienkurs, der seit dem Börsengang des Unternehmens auf rund 2,40 Euro gesunken ist. Also hat Lindemann beschlossen, den Konzern umzubauen. Zwischen acht und zehn Millionen Euro wird der Beate-Uhse-Konzern dafür investieren, wodurch sich für 2007 statt eines Gewinns ein Verlust von sechs bis acht Millionen Euro abzeichnet.

Denn neben dem von Horx so betitelten „Pornograph“, dem Mann ab 18 mit schlichtem Hardcore-Interesse, sollen in Zukunft Kunden angesprochen werden, die Wert auf Wohlfühl-Atmosphäre legen: Geplant sind „Premium-Shops für Frauen und Paare“ in noblen Innenstadtlagen, offen gestaltet und ausgerüstet mit mehr Produkten aus dem Lifestyle-Bereich wie Schmuck und Parfüm. Bunte, TÜV-geprüfte Liebesspielzeuge soll es dort geben, auf dass sich auch junge selbstbewusste Frauen und reifere selbstbewusste Frauen angesprochen fühlen: Horx bezeichnet diese beiden Kundengruppen als „Cool Cats“ und „Lady Lovers“. Auch die „Sex Gourmets“ ab 50 möchte Beate Uhse vermehrt gewinnen, eingedenk des demographischen Wandels und der Annahme, dass die neuen agilen Alten auch sexuell agil bleiben wollen.

Für den klassischen „Pornographen“ möchte Beate Uhse Hardcore-Fachmärkte gezielt in Gewerbegebieten und an Autobahnen einrichten – der gesteigerten Anonymität wegen. Schlecht allerdings wird es in Zukunft für die Sexshops im Bahnhof- oder Rotlichtviertel aussehen. Voraussichtlich 35 dieser Shops möchte der Konzern schließen, wobei zunächst alle europaweit 300 Beate-Uhse-Shops einer Prüfung unterzogen werden sollen. Arbeitsplätze, sagt Sprecherin Assia Tschernookoff, sollen dabei keine verloren gehen – man werde schließlich auch neue Shops eröffnen.

Der stationäre Einzelhandel ist nur ein Standbein des Konzerns, doch auch bei den anderen gibt es Baustellen. Das Internet sei vernachlässigt worden, berichtet Lindemann. Und in der Logistik wirkte ein Wasserschaden im neuen Lager in den Niederlanden bis 2007 nach.

2008 will Lindemann wieder Gewinn schreiben und beteuert mit Blick auf die Eigenkapitalquote von 40 Prozent, kein Sanierungsfall zu sein. „Das Geheimnisvolle, Schmuddelige hatte einst seinen Preis“, sagt der seit acht Jahren amtierende Konzernchef. „Heute ist das Geschäft komplexer geworden.“