Alles sauber in der Leitung

WASSER II Einer Abgeordneten wurde in einem Lokal am Potsdamer Platz ein Glas Leitungswasser verweigert. Begründung: zu dreckig

So hatte sich Irene Köhne ihren Restaurantbesuch am Potsdamer Platz nicht vorgestellt. Die SPD-Abgeordnete gab ihre Getränkebestellung auf und bat die Bedienung darum, zusätzlich etwas Leitungswasser zu servieren – ein international verbreiteter Brauch, der auch in der deutschen Weltstadt keine Kellneraugenbraue mehr in die Höhe treibt. Dachte sie – und irrte.

Eine Ahnung davon, dass Berlins Toplage-Gastronomen ein wenig knauserig sein könnten, hatte Köhne schon gehabt. Was sie regelrecht auf die Palme brachte, war aber die Begründung: „Es wurde gesagt, dass die Wasserqualität im Umfeld des Potsdamer Platzes schlecht bzw. sogar gesundheitsgefährdend sei und sich andere Gäste bereits Krankheiten zugezogen hätten“, gab sie später zu Protokoll.

„Wir hatten auch einen Salat bestellt und wollten dann natürlich wissen, ob der auch mit Mineralwasser gewaschen worden sei“, erinnert sich Köhne gegenüber der taz. Daraufhin sei die Situation ein wenig eskaliert. Das alles ließ der SPDlerin keine Ruhe – immerhin ist sie verbraucherpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Also richtete sie zur Aufklärung des Sachverhalts eine parlamentarische Anfrage an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Die wiederum machte sich bei den Berliner Wasserbetrieben schlau und brachte in Erfahrung, was wohl ohnehin niemand bezweifelte: Alles sauber in der Leitung. Aber so ganz verstanden hat man die Tragweite der Anfrage im Haus von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) auch nicht: Wenn der Gast nur Flaschenwasser angeboten bekomme, heißt es in der Antwort etwas süffisant, habe er ja „ein Recht, diese Angebote anzunehmen oder abzulehnen und ggf. auch den Gastronomiebetrieb zu verlassen. In diesem Verhalten wird keine Gefährdung des Rufs Berlins als Stadt mit einwandfreier Wasserqualität gesehen.“ Was die Problematik haarscharf verfehlt, denn die Rufschädigung sieht ja Köhne nicht einfach in der Weigerung, Leitungswasser auszuschenken, sondern in der vorgeschobenen Begründung.

Bleibt zu hoffen, dass besagter Gastwirt sich in Köhnes Schilderung wiedererkennt und seine zweifelhaften Geschäftspraktiken überdenkt.

Falschaussagen über die Reinheit des Berliner Wassers sollte er künftig besser unterlassen, zumal die Abgeordnete an das Gesundheitsamt von Mitte appelliert, die Gastronomen rund um den Potsdamer Platz aufzusuchen und ein Wörtchen mit ihnen zu reden. Wie er fürderhin mit der Bitte nach einem kühlen Schluck Wasser für lau umgeht, bleibt aber seine Sache. Das bestätigt auch der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga: Ein Unternehmer sei eben ein Unternehmer. Und dem könne niemand vorschreiben, was er zu verschenken hat. CLAUDIUS PRÖSSER