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Ohne das richtige Timing läuft beim Käse überhaupt nichts

KLEINUNTERNEHMEN Heinrich Bego-Ghina, der eigentlich mal Spargelbauer war, tourt inzwischen mit der einzigen mobilen Käserei Deutschlands weiträumig durch Niedersachsen

VON THOMAS JOERDENS

Vor dem Käse kommt die Hygiene. Das ist die erste Lektion, die jeder sofort riecht und sieht, der Heinrich Bego-Ghina bei der Arbeit besucht. Der kräftige Blondschopf hat seinen blauen Transporter mit dem angehängten Sandwichkoffer auf dem Hof der Milchbauern Thoden in Barchel bei Bremervörde nahe an den Kuhstall rangiert.

Vorm Käsen wird geputzt

Bevor es in der fahrbaren Mini-Käsefabrik mit der ersten von zwei Tilsiter-Produktionen losgeht, die an diesem Tag auf dem Programm stehen, macht Bego-Ghina den Putzmann. In Gummistiefeln, mit Haube, Gummischürze und Latexhandschuhen schrubbt der staatlich geprüfte Techniker für Molkereiwirtschaft das Innere seiner mobilen Käserei, die in einem vier Meter langen Anhänger untergebracht ist. An leckeren Käse denkt jetzt niemand. Bei den Gerüchen von Chlor und Desinfektionsmitteln kommen einem vielmehr Hallenbadbesuche in den Sinn.

Ich verarbeite grundsätzlich Rohmilch, und die ist sensibel. Da muss ich Schadkeime auf jeden Fall vermeiden“, erklärt der 41-jährige Käse-Meister, der Norddeutschlands einzige Mobil-Käserei betreibt. In Deutschland gibt es ungefähr ein halbes Dutzend dieser rollenden Käsereien. Vier Tage pro Woche fährt Heinrich Bego-Ghina von Löningen bei Cloppenburg zu den Bauern und macht an Ort und Stelle aus deren Kuhmilch je nach Wunsch Tilsiter, Bergkäse, Emmentaler oder einen goudaähnlichen Schnittkäse. Diese vier Sorten verfeinert der Käser teils mit Gewürzen oder Kräutern – und die Landwirte verkaufen den Hofkäse dann auf Märkten oder im eigenen Laden.

Wie an jedem Produktionsmorgen spült Bego-Ghina heute zuerst den 900 Liter fassenden Edelstahlkessel, die Edelstahlwanne, den Wagenboden sowie Plastikeimer, Siebe, Töpfe, Formen und andere Geräte mit Lauge und Wasser. Abends nach dem Käsen macht er es nochmal. Und während der Arbeit wäscht er sich zigmal die Hände, wechselt immer wieder die Handschuhe, hält die Tür seiner mindestens 20 Grad warmen Mini-Käserei stets geschlossen und schaut ständig auf die Uhr seines Mobiltelefons.

Weitere Voraussetzungen für das Gelingen des Käses sind das richtige Timing sowie die Bakterienkulturen, die der Käser der frisch gemolkenen Milch beifügt, die aus einem Stahltank in den Käserei-Kessel gepumpt wird.

Die Bakterien säuern die Milch an, und nach einer guten Stunde gießt er das Gerinnungs-Enzym Lab dazu, stellt das Rührwerk an und wartet weitere 60 Minuten. Danach ist die Milch ein stichfester Joghurt geworden, die „Gallerte“. Dann nimmt er die Deckel vom Kessel, schneidet die weiße Masse an und sieht, dass es Zeit für den Bruch ist. Dabei wird der Käse von der Molke getrennt.

Klumpen unerwünscht

Der Käser zieht jetzt abwechselnd eine langstielige Käseharfe mit 22 Drähten und eine Art Plastikschaufel durch die Gallerte. Gleichzeitig erhöht Heinrich Bego-Ghina die Temperatur im Kessel und „brennt“ den Inhalt bei 40 Grad Celsius. Er lässt ein Drittel Molke ab, gibt Wasser dazu und kippt 500 Gramm grünen Pfeffer in die gelblich-grüne Suppe, in der weiße Stücke schwimmen. Am Nachmittag gibt Bego-Ghina Bärlauch dazu.

Nach einer weiteren Stunde prüft der Käsemann den Bruch. Er knetet eine Handvoll der Masse und zerreibt sie, so dass der Käse krümelt. Perfekt. Jetzt beeilt sich Bego-Ghina, damit sich die Rinde des Tilsiter besser schließt und der Käse nicht verklumpt. Er schöpft den Kesselinhalt in 16 Formen, die schon in der Stahlwanne stehen. Dann wendet Bego-Ghina die gut vier Kilo schweren Quaderformen immer wieder. Auch das sei wichtig für die Rindenbildung, sagt er.

In diesem Zustand sehen die Laibe aus wie Feta. Vom Tilsiter, wie wir ihn kennen, sind die gut 60 Kilo Hartkäse dieses Durchgangs noch sechs Wochen entfernt. So lange lässt Heinrich Bego-Ghina den Käse bei 16 Grad und fast 80 Prozent Luftfeuchtigkeit reifen.

In dem klimatisierten Raum lagern zurzeit etwa 1.500 Käselaibe. Helfer bestreichen sämtliche Käse mit einer Salzwasserlösung. Dabei entsteht eine rötlich-orangefarbene Naturrinde, und der Käse bekommt einen kräftigeren Geschmack.

1.000 Kilometer pro Woche

Hartmut und Irmgard Thoden bewirtschaften 62 Hektar, betreiben eine Rinderzucht und halten 57 Milchkühe. Während der Milchkrise vor fünf Jahren, als die Milchpreise abgestürzt waren, suchten sie nach Alternativen, um einen Teil ihrer Milch selbst zu vermarkten. Sie kamen auf Käse und auf Heinrich Bego-Ghina. Inzwischen fährt Heinrich Bego-Ghina regelmäßig die 150 Kilometer nach Barchel, um für die Thodens jährlich an die 700 Kilo Käse herzustellen.

Seit 2006 rollt Heinrich Bego-Ghina schon mit seiner Käserei durch den Norden und legt wöchentlich rund 1.000 Kilometer zurück, um seine 18 Kunden zu erreichen. Die Höfe liegen zwischen der Wingst, der Nordheide, dem Weserbergland und dem Niederrhein. Die Bauern halten 35 bis 200 Kühe und buchen den Käser im Jahr für vier bis 40 Produktionen.

Bego-Ghinas Laden läuft. Anfangs hatte der Molkereifachmann, der zeitweise selbstständiger Spargelbauer war, die Käserei als zweites Standbein geplant. Aber er merkte schnell, dass mobiles Käsen nur als Vollzeitjob funktioniert und gab seine Spargelflächen auf.

Mobile Käserei Bego-Ghina, Am Moorkamp 23, 49624 Löningen. ☎ 05432/90 20 35 oder 0171/69 96 159. Hofladen Hartmut und Irmgard Thoden, Barcheler Straße 44, 27432 Barchel. ☎ 0171/830 73 67.

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