Stefan Osterhaus schaut sich in den Galerien von Berlin um

Damals, vor ein paar Jahren, da malte sie Hexenhäuschen. Viel Weiß war im Bild, ein wenig Blau, es wirkte bedrohlich, so als würden hier Baba Jaga, Brüder Grimm und das Blair Witch Project treffen. Manchmal waren es auch Skizzen aus Aufzügen, aus Treppenhäusern, Bilder, die Verfall abbildeten und ihrer dunklen Atmosphäre dem Hexenhäuschen ziemlich nahe waren, weswegen es gar nicht abwegig ist, Baba Jaga irgendwo im Wedding zu vermuten. Denn Lea Asja Pagenkemper fand ihre Motive vor allem in der Unfertigkeit Berlins der letzten Jahre. Heute kann man sie als Dokumente des Umbruchs begreifen. Doch das Metaphysische, das Okkulte, es war immer präsent, es durchdrang ihre Bilder stets.

 Auch in der aktuellen Ausstellung bleibt Pagenkemper der Linie nicht treu: „The lover and the magican“ heißt ihre aktuelle Ausstellung bei Jette Rudolph, doch der Zauberer wirkt freundlich. Fast glaubt man, man könnte ihn im Garten der Königin treffen: Es hat ein bisschen was von Alice Wandlungen im Wunderland. Eine weiße Taube zaubert er hervor (keinen Hasen, diese Variation gestattet sich die Malerin), und wie bei Alice ist es auch hier sehr abgründig.

Oft lässt Pagenkemper die Konturen verschwimmen. Die Leinwände sind groß, sehr groß, die Malerin vernachlässigt bei manchen den Rand ganz bewusst, sodass sich der Blick des Betrachters soghaft ins Zentrum der Bilder gezogen wird, und eines ihrer Bilder hat einen ganz besonderen Zauber, obwohl das Motiv ganz real ist: Es ist Tom Waits, mit einer Gitarre mit ausgebreiteten Armen. Kein großes Bild, aber eines mit starker Wirkung: Waits in der Pose des Gekreuzigten, ein Märtyrer.

 Der ständige Opfergang für die Musik, was tut man nicht alles für die Kunst, was erleidet, was erduldet man, und doch ist alles ziemlich plakativ. Wenigstens hat ihn mal jemand erkannt.

■ Lea Asja Pagenkemper: „The lover and the magican“; bis 30. November, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Galerie Jette Rudolph, Strausberger Platz 5