Soll Sterbehilfe erleichtert werden?

LEBEN Im Herbst will der Bundestag ein neues Gesetz zur Sterbehilfe verabschieden. Die Vorstellungen über ein Sterben in Würde gehen auseinander

■ In der Ausgabe taz.am wochenende vom 7./8. März 2015 entfällt der Streit.

Stattdessen erscheint eine Sonderausgabe zum Frauentag – über Frauen und Fiktionen. Am 14./15. März lesen Sie dann hier wieder die Streitfrage.

Redaktion: Markus Lücker, David Sahay, Felix Zimmermann

Fotos: Picture-Alliance; Frank Beer; Deutscher Bundestag; Sterbehilfe Deutschland; privat (2)

Jana Beck

Ich bin auch für Selbstbestimmung, aber bei der Sterbehilfe ist doch die Frage, wer tut es. Ich arbeite als Krankenschwester in einem Hospiz und möchte nichts tun, was aktiv ein Leben beendet. Wie sollte ich damit leben können? Die Palliativmedizin hilft Symptome zu lindern. Nach Cicely Saunders: Nicht dem Leben mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.Jana Beck, 48, arbeitet in einem Sterbehospiz und kommentierte die Streitfrage auf Facebook

Peter Hintze

Ärzten sollte es erlaubt sein, ihrem Gewissen zu folgen und unheilbar kranken Menschen, bei denen auch eine gute palliativmedizinische Behandlung nicht mehr helfen kann, Hilfe bei der selbstvollzogenen Beendigung des Lebens zu leisten.Peter Hintze, 64, ist CDU-Abgeordneter und Vizepräsident des Deutschen Bundestages

Claudia Lücking-Michel

Wenn wir die Tür für organisierte Sterbehilfe öffnen, sehe ich die Gefahr, dass sich lebensbedrohlich erkrankte Menschen unter ökonomischen und psychosozialen Druck gesetzt fühlen. Wir würden diese Menschen über eine Schwelle drängen, die sie selbst gar nicht überschreiten wollen. Das wäre das glatte Gegenteil von Selbstbestimmung bis zum Tode.

Claudia Lücking-Michel, 53, ist CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken

Inge Jens

Wenn ein totkranker Mensch darum bittet, seine Schmerzen zu beenden, wenn er spürt, dass seine Leidenskraft zu Ende geht und kein Helfer ihm Erleichterung versprechen kann, sollte er sterben dürfen – auch und gerade in Hospizen, also in Einrichtungen, die in erster Linie der Hilfe zum Leben dienen wollen. Das Vertrauen auf wirksame Hilfe am Ende – auch wenn sie den „vorzeitigen“ Tod bedeutet – „humanisiert“ (in meinen Augen) nicht nur das Leben, sondern auch das Sterben; es nimmt ihm das Bedrohliche, ohne es in den Bereich des dem Menschen Verfügbaren zu heben.

Inge Jens, 88, ist Herausgeberin der Tagebücher Thomas Manns. 2013 verstarb ihr Mann, der Schriftsteller Walter Jens. Sie pflegte ihn bis zu seinem Tod

Torsten Benzin

Die Suizidbeihilfe ist seit 140 Jahren aus gutem Grund straflos. Auch für Vereine. Was Sterbehilfe weit mehr erleichtern würde, sind Aufklärung, Enttabuisierung und eine neutrale, sachliche Diskussion, die sich an den Wüschen der Bevölkerung orientiert.

Torsten Benzin, 37, ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins Sterbehilfe Deutschland