Im Schatten des Vaters

Sein Arbeitsplatz in maroder Umgebung hat Symbolcharakter. Jens Rehhagel verantwortet jenen Teil der Fußballfirma Hannover 96, der einen neuen Anstrich benötigt. Als Nachwuchskoordinator an der Seite von Nicolas Michaty kümmert er sich um die Belange potenzieller Profis von morgen. Die Talente des Vereins bekommen bald eine vorzeigbare Heimat. Aus dem renovierungsbedürftigen Eilenriedestadion soll bis 2017 ein modernes Nachwuchsleistungszentrum werden. Ob Rehhagel diesen eingeschlagenen Weg bis zum Ende mitgehen darf, wird sich zeigen. Denn er muss sich dafür verantworten, dass einem 96-Trainer im Umgang mit Jugendlichen die nötige Sensibilität abhanden gekommen sein soll.

Der Job von Rehhagel ist dafür gedacht, guter Jugendarbeit den richtigen Rahmen zu geben. Doch ein Vorfall bringt ihn in Erklärungsnot. Ein Foto, das fünf 96-Nachwuchskicker mit nacktem Hinterteil zeigt, weil sie den FC Bayern verhöhnen, ist öffentlich geworden. Was lustig gemeint war, offenbart, welche Umgangsformen der in die Kritik geratene Übungsleiter zulässt. Das wäre nicht so schlimm, wenn ein Hauch von Einsicht zu erkennen wäre. Aber bisher ist nicht bekannt, dass Abteilungsleitung oder Trainer einlenken. Der Vorfall ist auf dem Tisch von 96-Präsident Martin Kind gelandet, der Aufklärung erwartet.

Der 41-jährige Rehhagel profitiert nicht immer von seinem Nachnamen. Als Sohn des als Trainer-Legende bekannten Otto Rehhagel möchte er gerne seinen eigenen Weg finden. Er will als guter Organisator und engagierter Diplom-Sportwissenschaftler wahrgenommen werden – nicht als Sohn eines Stars. Entsprechend rar macht sich Jens Rehhagel in der Öffentlichkeit. Bevor er die immer wiederkehrenden Fragen zu seinem Vater beantworten muss, lehnt er Interviewanfragen gerne ab. Entsprechend groß ist die mediale Aufregung, wenn unter seiner Fuchtel Negatives ansteht.

Um seine Bemühungen, einen eigenen Stil zu entwickeln, ohne ständig mit dem Vater in Verbindung gebracht zu werden, ist er nicht zu beneiden. Das kurze Gedankenspiel drängt sich dennoch auf: Wie hätte der resolute Otto Rehhagel wohl reagiert, wenn unter ihm Nackedei-Fotos die Runde gemacht hätten? Variante 1: Er hätte Kraft seiner Autorität dafür gesorgt, dass so etwas nie wieder vorkommt. Variante 2: Er hätte so laut mit der Faust auf seinen Tisch gehauen, dass der Posten des zuständigen Trainers gleich mitgewackelt hätte. Jens Rehhagel wird mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er manchen Vorbehalt gegenüber dem kritisierten Trainer gekannt hat, ohne beherzt einzugreifen. Das wäre Variante C und die mit Abstand schlechteste.  OTO