Den Taliban nützt der Ausnahmezustand

Da immer mehr Polizisten gegen Demonstranten eingesetzt werden, fehlen sie beim Antiterrorkampf

Besorgniserregend ist die Leichtigkeit, mit der die Islamisten die drei Kleinstädte einnahmen

NEU-DELHI taz ■ Zehntausende Polizisten und paramilitärische Rangers waren am Freitag in Rawalpindi und allen größeren Städten des Landes im Großeinsatz, um eine Protestveranstaltung der Opposition zu verhindern. Dafür mussten sie sich aus dem Swat-Tal, rund 150 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Islamabad, zurückziehen. 2.500 Mann ihrer Spezialeinheiten sind dort seit zwei Wochen im Einsatz, um die Übernahme der Region durch den pakistanischen Talibanführer Maulana Fazlullah zu verhindern. Durch den Rückzug haben die Regierungsverbände in den letzten Tagen insgesamt drei Städte an die Aufständischen verloren.

Präsident Musharraf hat mit der Ausrufung des Notstands eine zweite Front geschaffen, und dies in einem Augenblick, in dem seine Truppen immer mehr Mühe haben, die islamistische Herausforderung militärisch unter Kontrolle zu bringen. Das Swat-Tal ist keine autonome Stammesregion, in der die pakistanischen Truppen wenig Terrainkenntnisse haben. Es ist vielmehr ein Gebiet, in dem der Staat mit seiner ganzen Infrastruktur vertreten ist.

Der Grund für die militärischen Misserfolge liegt jedoch, so die in Lahore erscheinende Zeitung Daily Times, in der Tatsache, dass sich hinter den vermummten Fazlullah-Milizen kampferprobte Stammesleute aus dem an Afghanistan angrenzenden Waziristan und vermutlich auch ausländische Kämpfer verbergen.

Noch besorgniserregender ist die Leichtigkeit, mit der die Milizen die drei Kleinstädte einnahmen und anstelle der pakistanischen Flagge die schwarze Taliban-Fahne hissten. In allen Fällen fielen kaum Schüsse, Polizisten wie Rangers übergaben ihre Waffen, Fahrzeuge und Posten kampflos den Fazlullah-Milizen und gingen nach Hause.

Laut Berichten aus Islamabad plant die Regierung Musharraf für die nächsten Tagen den Einsatz der Armee. Ob diese jedoch mehr Erfolg haben wird als bei ihrem Einsatz in den Stammesgebieten von Waziristan ist fraglich. Auch dort kam es bereits mehrmals zur kampflosen Kapitulation von Soldaten und Offizieren. Es ist höchste Zeit, meinte die Tageszeitung Dawn, dass die Regierung einsieht, dass sie sich hier in einem Bürgerkrieg befindet.

BERNARD IMHASLY