„Eine eigene Welt“

VERLEIHUNG Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene verpasst seine Empfänger

■ 72, ist emeritierter Kriminologe, Juror des Drewitz-Preises und Gründer des Strafvollzugsarchivs der Uni Bremen.

taz: Herr Feest, von 16 Preisträgern, die am Sonntag den Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis erhalten, werden nur drei anwesend sein. Ist das ein system-immanentes Problem bei einem Preis, der für Gefangene ausgeschrieben ist?

Johannes Feest: Wir verleihen den Preis bereits zum achten Mal, so gering war die Quote der physisch präsenten Preisträger durchaus nicht immer. Ich habe mich zum Beispiel bemüht, dass der ausgezeichnete Lyriker Helmut Pammler nach Bremen kommen darf, aber das hat die forensische Anstalt Andernach, wo er einsitzt, leider abgelehnt.

Herr Pammler hat Sicherheitsverwahrung (SV) und dazu Folgendes gedichtet: „Wäre ich ein Atomkraftwerk / man würde mich /  aus der SV entlassen. /Man würde / das Restrisiko tragen. / Ich aber / bin ein Mensch.“

Helmut Pammler sitzt wegen Totschlags hinter Gittern. Aber ich bin sicher, dass bei ihm keine Fluchtgefahr bestünde.

Bei einem anderen Preisträger, einem Lebenslänglichen aus Brandenburg, scheitert die Verleihung an den Überstellungskosten. Was bedeutet das Schreiben für Gefangene?

Herr Pammler, mit dem ich seit Jahren in Kontakt stehe, hat sich durch das Schreiben eine eigene Welt aufgebaut, in der er sich mit einer bemerkenswerten Sprachbegabung bewegt. Er hat keinerlei Schulausbildung, sondern zwei Drittel seines Lebens in Heimen und im Gefängnis verbracht. Aber Schreiben, das kann er richtig gut. Interview: HB

Preisverleihung samt Vorstellung der 6. Neuauflage des Alternativkommentars zum Strafgesetzbuch: Sonntag 11 Uhr, Uni-Gästehaus auf dem Teerhof