Exklusiver Sonnenaufgang

OLYMPIA 2016 IOC-Chef Thomas Bach ist nach seinem Inspektionsbesuch in Rio de Janeio von den segensreichen Auswirkungen der Sommerspiele auf die Stadt überzeugt. Kritiker dagegen beklagen die Umweltsünden und die Vorteilsnahme der Reichen

Den meisten Groll löst der neue Golfplatz aus, der mitten in einem Naturschutzgebiet errichtet wird

AUS RIO DE JANEIRO ANDREAS BEHN

Alles in bester Ordnung! Olympia kann kommen! Diese frohe Kunde verbreitete IOC-Präsident Thomas Bach zum Ende seines Inspektionsbesuchs in Rio de Janeiro am Wochenende. Die Bauarbeiten seien im Zeitplan, die Organisation zufriedenstellend, und das Megasportevent werde viel Positives für die Stadt hinterlassen. „Nach den Olympischen Spielen wird Rio eine andere Stadt sein“, erklärte Bach ganz unbescheiden.

Er bezog sich vor allem auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, zum Beispiel auf die U-Bahn-Linie, die den Strandstadtteil Barra, in dem die meisten Sportstätten liegen, mit den Edelvierteln Ipanema und Copacabana verbinden wird. „Eine U-Bahn für Touristen und für die Reichen, damit sie nicht mehr so lange mit ihren Autos im Stau stehen müssen. Aber die Menschen in den ärmeren Stadtteilen sind weiterhin auf marode Busse angewiesen – außer den zehntausenden Hausangestellten, die in der Nähe der neuen U-Bahn-Stationen in schicken Hochhausapartments arbeiten“, kritisiert eine der wenigen AktivistInnen, die das Treffen des Internationalen Olympischen Komitees zu einer Protestkundgebung nutzten. Sie stürmten am Samstag die Lobby des Tagungshotels und beschimpften die elegant gekleideten Sportfunktionäre als „Diebe“ und „Mörder“. Zudem machten sie darauf aufmerksam, dass die Großveranstaltung die ökologischen Nischen in der Stadt gefährde. Auf Plakaten wurde Thomas Bach als „Naturkiller“ bezeichnet.

Den meisten Groll löst der neue Golfplatz aus, der mitten in einem Naturschutzgebiet errichtet wird. Um den Bau zu ermöglichen, wurden die Ökovorschriften bis zur Konturlosigkeit aufgeweicht. Und damit der Staat nicht wie bei der Fußball-WM einen Großteil der Kosten tragen muss, wurden dem Bauunternehmer traumhafte Investitionsbedingungen eingeräumt. Rund um den Golfplatz – also mitten in der geschützten Lagune vor dem Atlantikstrand – darf er 23 Luxushochhäuser bauen. „Die Sonne geht für alle auf, aber nicht mit diesem Blick“ – so der wenig olympische Werbeslogan der exklusiven Anlage. Der Extragewinn daraus wird auf 500 Millionen US-Dollar geschätzt. Die Staatsanwaltschaft prüft bereits, ob der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, wegen Bevorteilung belangt werden kann und inwiefern Naturschutzbestimmungen verletzt wurden.

Jenseits der offiziellen Bekundungen wurde deutlich, dass noch viel bis zum Start der Olympischen Spiele am 5. August 2016 getan werden muss. Zahlreiche Verkehrsprojekte kommen nur schleppend voran, noch immer mangelt es laut IOC an Hotelbetten in der Stadt. Vor allem die Bauplanungen der Sportstätten fürs Reiten und für den Radsport hinken dem Zeitplan hinterher.

Bislang ungelöst ist auch das große Problem in der Bahia Guanabara: In der malerischen Bucht sollen die Segelwettbewerbe stattfinden. Doch das Gewässer ist durch ungeklärte Abwässer von Millionen Anwohnern, den Hafen und zahlreiche Industriebetriebe ekelerregend verschmutzt. Das Versprechen der Olympia-Organisatoren, die Bahia zu 80 Prozent zu reinigen, bezeichnete letztens sogar die Stadtregierung als völlig unrealistisch. Nun wird das Problem einfach kleingeredet – obwohl jeder in Rio weiß, dass auch im kommenden Jahr die Fahrt von Flughafen zum Stadtzentrum von beißendem Gestank begleitet sein wird.

Insgesamt sollen die Spiele umgerechnet 12 Milliarden Euro kosten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass dieser Betrag am Ende mindestens 10 bis 20 Prozent höher ausfallen wird. Schon wird befürchtet, dass Olympia wieder ein Verlustgeschäft für die Gastgeber werden wird – die WM hat 2014 große Haushaltslöcher hinterlassen.

Die Bevölkerung in Rio nimmt das vorolympische Chaos bislang halbwegs gelassen. Die Cariocas sind es seit Jahren gewohnt, dass an jeder zweiten Ecke gebaut wird und der Verkehr jeden Monat neu umgeleitet wird. Die Lebenshaltungskosten sind unverändert hoch. Die Stadt, die den Karnevalskater kaum überwunden hat und am Sonntag ihren 450. Geburtstag feierte, hat sich mit dem ständigen Ausnahmezustand arrangiert. Doch Vorfreude auf das weltweit größte Sportevent ist derzeit nicht zu spüren.