Ingenieur allein reicht nicht

SOFT SKILLS Wer erfolgreich sein will, muss zusätzliche Kompetenzen erwerben. Immer mehr Arbeitgeber bieten Fortbildungen an

Mindestens genauso wichtig wie die gute Idee ist der darauf folgende Prozess

VON MIRKO HEINEMANN

Innovationen, Ideen, Erfindungen – beim baden-württembergischen Unternehmen ifm electronic bilden sie die Essenz des Unternehmenserfolges. In Tettnang am Bodensee entwickeln über 400 Ingenieure und Techniker neue Sensoren und andere elektronische Bauteile, wie sie für automatische Prozesse in Maschinen verwendet werden – etwa für Windkrafträder. 80 Prozent der Produkte werden exportiert, das Unternehmen ist in über 70 Ländern präsent und beschäftigt über 4.000 Mitarbeiter.

„Ideen haben wir viele“, erklärt Steffen Fischer, Unternehmensbereichsleiter Personal des Unternehmens. „Aber mindestens genauso wichtig wie die gute Idee ist der darauf folgende Prozess.“ Hierbei geht es darum, die Innovation den Fachkollegen und Mitarbeitern anderer Abteilungen vorzustellen und sie zu verteidigen. Wird gar eine Realisierung des Produkts und sein Vertrieb angestrebt, muss der Ingenieur eine hierzu ins Leben gerufene Projektgruppe leiten oder darin aktiv mitwirken. Ergo: Ingenieure müssen über das Fachwissen hinaus zahlreiche Fähigkeiten erwerben: „Soft Skills wie kommunikative und soziale Kompetenzen, kaufmännische Fähigkeiten und unternehmerisches Denken und Handeln werden neben der Technik immer wichtiger und entscheidender“, so Fischer.

Insgesamt hundert offene Stellen hat ifm electronic, die Abkürzung steht für „Ingenieursgemeinschaft für Messtechnik“, derzeit anzubieten. Der Fachkräftemangel trifft die Firma nicht allein: Nach Schätzungen des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik VDE waren in den vergangenen fünf Jahren die Absolventenjahrgänge stets kleiner als der Bedarf an Elektroingenieuren in Deutschland – selbst in der konjunkturschwachen Phase. Bis 2015 rechnet der Verband mit einem weiteren Absinken und Verharren der Arbeitslosenquote bei Elektroingenieuren bei deutlich unter 2 Prozent.

Doch längst reicht eine rein technische Ausbildung nicht mehr aus, um die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt zu befriedigen. Arbeitgeber erwarten mannigfaltige Fähigkeiten und zusätzliche Qualifikationen. Vor allem Kompetenzen in Kommunikation und Personalführung sind gefragt. Das immer noch sehr technisch geprägte Ingenieursstudium kann diese breit gefächerten Kompetenzen nicht in ausreichendem Maße vermitteln. „Es ist zwar besser geworden“, räumt Steffen Fischer ein. So bemerke er bei jungen Bewerbern, dass im Rahmen der heutigen Technikstudiengänge zunehmend auch andere Disziplinen vermittelt werden.

Doch immer noch gebe es zu viele Absolventen, die sich ihre berufliche Zukunft als „einsamer Tüftler im stillen Kämmerlein“ vorstellen. „Natürlich muss der Elektroingenieur in erster Linie sein Fach verstehen“, betont Fischer. „Aber er muss auch Teamworker sein, in der Lage, eine Gruppe zu führen und seine Gedanken zu kommunizieren.“

Wo das Curriculum der Hochschulen zu unbeweglich ist, müssen Arbeitgeber selbst zum Anbieter für Weiterbildungen werden: ifm electronic etwa hat in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten einen Fortbildungskurs „Projektmanagement“ entwickelt. Dort erworbene Punkte können bei einem weiterführenden Studium angerechnet werden. Ein Beispiel dafür, dass auch der Mittelstand die Zeichen der Zeit erkannt hat.

In den großen Konzernen ist das Thema Fort- und Weiterbildung im Beruf längst angekommen. Der Volkswagen-Konzern etwa bietet hierzu ein eigenes E-Learning-Portal an, ein Selbstlernzentrum in Wolfsburg und zahlreiche Förderungen für Studierende im Betrieb. Um den Bedarf an Absolventen der naturwissenschaftlichen Fächer zu unterstreichen, hat VW in Wolfsburg auf eigene Kosten eine Schule gebaut. „Sie soll ein Vorbild sein, eine Bildungsstätte der Zukunft“, erklärt Gerhard Prätorius, Beauftragter für die sozialen Aktivitäten des VW-Konzerns. „Wir wollen Anregungen geben und Überstrahleffekte für andere Schulen erreichen.“

Die Schule soll schon früh eine klare Ausrichtung auf technische Disziplinen haben und gleichzeitig zusätzliche Kompetenzen vermitteln. Denn auch bei dem Autobauer zeigen sich die veränderten Anforderungen an die Ingenieure. Neben der Kernkompetenz, nämlich ein Auto konstruieren und bauen zu können, werden interdisziplinäre Themen wie Umweltschutz, nachhaltige Produkte, ressourcenschonende Produktion, integrierte Mobilität wichtiger – Weiterdenken ist gefragt.

Ein kreativer Techniker hat auf dem Arbeitsmarkt zwar schon recht gute Karten, aber neben der fundierten technischen Ausbildung werden Arbeitgeber in Zukunft immer stärkeres Gewicht auf kommunikative und soziale Kompetenzen legen. Damit wird ein Job so gut wie sicher sein, davon ist jedenfalls ifm-electronic-Personalchef Steffen Fischer überzeugt. Er appelliert an Schulabgänger: „Wer mit Mathematik und Physik nicht auf dem Kriegsfuß steht, sollte unbedingt Ingenieur werden.“