Der Wedding will die Spiele

STADTMARKETING Mit neuen sportlichen Disziplinen könnten die Olympischen Spiele den Wedding vorwärtsbringen: Pfandflaschenstaffel, Tretbootregatta und Spätkaufmarathon machen es vor

Alkohol wird als gewichtsabhängiges Pflichtdoping eingeführt

VON FRANK SORGE

Die Entscheidung um die deutsche Olympia-Bewerbung geht in die heiße Phase. Wird es Hamburg oder Berlin, oder doch der lachende Dritte? Denn wir im Stadtteil Wedding machen das im Zweifel auch allein. Neue Disziplinen, stadtaktive Konzepte, integratives Bewusstsein, an dieser Bewerbung kommt das DSOB nicht vorbei. Hier unsere Ideen:

Tretbootregatta – Als Wassersportstandort ist der Plötzensee nutzbar. Die Ruderwettbewerbe werden nicht als Gesamtstrecke, sondern pendelnd absolviert. In einer krönenden Jugendregatta mit Tretbooten, die gleichzeitig mit allen anderen Wasserwettkämpfen stattfindet, wird die Teamfähigkeit junger Athleten besonders auf die Probe gestellt. Außerdem wird allgemeine Rücksicht am Badesee eingeübt, was dem Standort auch in künftigen Jahren zugutekommen wird.

Dönerwurf – Statt eines Diskus wird ein aluminiumverpackter Döner geworfen. Die Sportler können das Innenleben im Imbiss bestimmen und so spezielle Strategien zu Gewichtsverteilung und Flugeigenschaften probieren. Bei einem Fehlversuch oder Übertritt der Wurflinie muss der Döner gegessen werden.

Pfandstaffel – Die Pfandflaschenstaffel (40-mal 10 Meter) auf der Müllerstraße ist ein ambitionierter Teamwettkampf und besonders geeignet für Vereine, Schulklassen und sonstige Schicksalsgemeinschaften. Fällt bei einer Übergabe die Flasche auf den Boden und zerspringt, kann eine auf dem bereits absolvierten Abschnitt frei herumstehende Pfandflasche neu auf die Reise geschickt werden.

Schwerathletik – Um auch körperlich anders geübten potenziellen Olympioniken die Teilnahme zu ermöglichen, werden dem Laufen und Springen die Disziplinen Stehen und Sitzen hinzugefügt: dem Dreisprung der Keinsprung, dem Siebenkampf der Siebenschläfer und dem Hochsprung das Tiefstapeln.

Umdenken – Das olympische Motto „Höher, schneller, weiter“ wird um die Begriffe „ärmer“, „geiler“ und „breiter“ ergänzt. Grenzenloses Gewinnstreben entspricht nicht länger dem olympischen Geist. Die Spiele müssen sich vom kapitalistischen Weltwahn befreien und Vorbild für die heranwachsende Generation sein, alten Logiken abzuschwören. Als symbolischen Schritt des Umdenkens werden die Medaillen dem Austragungsort gemäß als Goldkettchen, Silberringe und Bronzepiercings ausgegeben.

Spätkaufmarathon – Für die langen Straßenwettkämpfe bieten Müller-, Bad- und Osloer Straße ideale Bedingungen. Die üblichen Erfrischungsstationen für die Sportler sind dank des vorhandene Spätkaufnetzes unnötig, zugleich ist die Versorgung der Zuschauer an den Strecken sichergestellt und stützt die lokalen Unternehmen.

Neuer Umgang mit Doping – Da alle derzeit gebräuchlichen Dopingmittel versagen oder gefährlich werden, wenn sie mit Alkohol kombiniert werden, wird Alkohol aus den Verbotsregelungen ausgenommen und als gewichtsabhängiges Pflichtdoping eingeführt. Die Wettbewerbe selbst werden dadurch insgesamt geselliger, vor jedem Lauf wird gemeinsam angestoßen, außerdem wird die übliche Urinkontrolle durch verstärkten Harndrang erleichtert. Der enge Kampf um Leistungsspitzen wird mit diesem Verfahren generell entschärft und hilft auch dem Zuschauer, denn gleichzeitig werden athletische Bewegungsabläufe verlangsamt, die seit Jahren nur noch über spezielle Kameras und in Slow-Motion-Darstellung sichtbar sind.

Multinationale Eröffnungsfeier – Nicht erst durch die Spiele kommt die ganze Welt im Wedding zusammen, wir sind längst da. Bauchtanzgruppen, Derwischtänzer, Discofox-Rentner und Streetdance-Jugendprojekte stehen jederzeit bereit für eine spektakuläre Eröffnungsfeier, deren Höhepunkt die Entzündung des olympischen Feuers auf dem Dach von Karstadt an der Müllerstraße sein wird.

Stadion- und Baufragen – Als Hauptstadion wird das Gesundbrunnencenter entkernt und mit entsprechenden Sportstätten und Sitzrängen ausgestattet. Das Center ist praktischerweise bereits an das Fernbahnnetz angeschlossen, außerdem stützt die Maßnahme den Einzelhandel in der Badstraße. Gleichermaßen wird mit Möbel- und Media-Markt gegenüber dem malerischen Amtsgericht verfahren, die entsprechende Parkflächen mitbringen. Der Rest Berlins wird olympisches Dorf.

Fazit: Wir sagen Olymp-Ja und nicht Nein. Der Wedding will Fladenbrot und Spiele. Bitte, IOC, entscheide einmal vernünftig.