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KunstrundgangBrigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Was hat Jon Kesslers Installation „The Blue Period“ bei Arndt & Partner mit Picassos blauer Periode zu tun? Warum hat der New Yorker Künstler seine große Einzelausstellung im P.S. 1 2005, „Palace at 4 a.m.“, nach einer Skulptur von Alberto Giacometti benannt? Sollen diese Zitate den riesigen Abstand ins Gedächtnis rufen, zwischen den Werken der klassischen Moderne und der Kunst im Computerzeitalter? Gibt es überhaupt noch eine Verbindung? „The Blue Period“ jedenfalls verwandelt die sehr blau, geradezu in einem Yves-Klein-Blau, angemalte Zweite Etage in eine großartige, digitale Hölle. Vollgestopft mit Monitoren, automatisch gesteuerten Kameras, Spotlights, Kabeln, Folien, selbst gebastelten Bildwerfermaschinen, Fotografien und Pop-ups. Das Blau erinnert natürlich an den Blue Screen, der es erlaubt, unterschiedliche Bilder nahtlos ineinander zu montieren, die Welt neu zu ordnen und alte Lügen als neue Wahrheiten unter die Leute zu bringen. Den Kommentar dazu liefert ein Monitor mit Jean-Paul Belmondo, wie er sich in „Pierrot le fou“ das Gesicht mit blauer Farbe anmalt. Die nachfolgende Szene fehlt, aber bekanntlich bindet er sich einen Sprengstoffgürtel um den Kopf, und dann, ja dann, knallt’s.

Der „Garten“ der Villa Massimo, wo Matthias Weischer derzeit Stipendiat ist, liegt auf einem anderen Planeten. Die Schau mit seinen Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken im NBK ist der Abschluss seines von der Rolex Arts Initiative geförderten Mentoringjahres bei David Hockney. Hat Hockney Weischer ins Freie gebracht? Wenn ja, nur bedingt. Denn der Garten ist ja auch eine Art Interieur, Weischers bevorzugtes Motiv. Verliert man sich erst in den hunderten schnellen, spontanen, gleichzeitig durchdachten, komplexen Skizzen, weiß man: auch so kann der Sprengstoffgürtel um den Kopf ausschauen.

Jon Kessler: The Blue Period. Bis 24. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Arndt & Partner, Zimmerstr. 90/91 Matthias Weischer: Der Garten – Arbeiten auf Papier. Bis 23. 12., Di.–Fr. 12–18, Sa., So. 14–18 Uhr, Neuer Berliner Kunstverein, Chausseestr. 128

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