: Als wir noch für Partylöwen schwärmten
Mal eben zurück ins Jungsuniversum: Zum 20. Geburtstags des Erscheinens spielte die englische Band The Wedding Present im gut gefüllten Lido ihr Debüt „George Best“ nach – flott, gekonnt und angenehm unprätentiös. Und weil sie sich weiterentwickelt haben, boten sie mehr als eine Zeitreise
VON RENÉ HAMANN
Eine wirklich große Band waren sie nie. Aber The Wedding Present hatten eine treue Fangemeinde, besonders in ihrer englischen Heimat. Eine Fangemeinde, die es einmal sogar geschafft hat, sie in die Top 10 zu kaufen. Und zu der besonders der Radiomann John Peel gehörte. Was sie ebenfalls hatten, war eine aufmerksame Gefolgschaft. Besonders Tempo und Gitarrenspiel, die schnell übereinandergeschichteten Lärmwände, die Kunst, ein Solo aus Akkorden zu spielen, das waren die Markenzeichen der Band aus Leeds. Das machte sie besonders, hierin sind sie vielfach nachgeahmt worden, auch von Bands der Hamburger Schule. Vor allem die Kolossale Jugend und auch Blumfeld wären ohne The Wedding Present kaum denkbar.
Nun ist es zwanzig Jahre her, dass die Band um David Gedge ihr Debütalbum „George Best“ veröffentlichte, benannt nach Englands legendärstem Fußballspieler, einem Partylöwen und Lebemann, der sich zuletzt selbst zugrunde gerichtet hat. Zur Feier des Berliner Auftritts spielte die Band das Album komplett nach, vor rauchfreiem, fast durch die Bank mitgealtertem und männlich dominiertem Publikum. Im Lido herrschte Rauchverbot, man konnte sich auf nächstes Jahr einstimmen. Umso erstaunlicher, dass sich alle daran gehalten haben an diesem Abend.
Erstaunlich auch, dass sich The Wedding Present als eine Band erwies, die sich weiterentwickelt hat, anstatt wie viele andere einfach nur alt und einfallsarm zu werden. Bevor ein Mensch im Hasenkostüm auf die Bühne kam und den Countdown zu „George Best“ präsentierte, spielte sich die Band nämlich mit neuen Songs warm: langsamer, dafür ausgefeilter. Den Lärm wissen sie inzwischen sehr punktuell und umso effektiver einzusetzen.
„George Best“ folgte dann flott und angenehm unprätentiös. Der Sound war gut wie nie, besser als auf Platte damals. Während die alten Hits wie „A Million Miles“ oder „My Favourite Dress“ also dahergeschrammelt kamen, versuchte man sich zwanzig Jahre zurückzuimaginieren. Wie es gewesen sein muss, als David Gedge Songs zu spielen, die man im Eifer der eigenen Jugend geschrieben hatte (er ist als Chef auch als Einziger aus der Urbesetzung übrig geblieben). Wie es gewesen sein musste, damals im Moshpit: laut, wüst und witzig. Und verwirrend, auch der Texte wegen: Die waren nämlich immer schon Beziehungskistentexte, in der Hinsicht hat sich bei Gedge nicht viel getan. Dieses Ehepaarhafte hatten sie schon immer. Und wie es gewesen sein könnte, diese Musik hauptsächlich mit Jungs zu teilen, denn Mädchen interessierten sich damals noch nicht für gute Gitarrenmusik; das ist heute zum Glück anders. Und schließlich, was und wer man selbst damals gewesen ist, 1987.
Aber das war keine sich selbst beweihräuchernde Veranstaltung, eher eine Art Parodie auf den Trend „Alte Bands spielen ihre Klassiker nach“. Nach der guten halben Stunde „George Best“ spielten der immer vorwitzig-charmante Gedge, eine Art Dan Aykroyd des Indierocks, ein unterhaltsames Genie also, das aufgrund seiner Unbedarftheit immer auch unterschätzt wurde (und der ebendas auch beabsichtigte), und seine gute Band noch zwei neue Stücke.
Zum Schluss gab es „Flying Saucer“ aus der „Hit Parade“, einer Sammlung monatlich herausgeworfener Singles von 1992, dem künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt der Band. Persönliches Lieblingsstück und auch der Moment, in der ich die Band für mich entdeckte – 1987 war ich für englische Gitarrenmusik aus dem Indiekontext noch zu jung. Mein eigenes zwanzigjähriges Konzertbesuchsjubiläum findet auch erst in zwei Jahren statt. Dann nämlich, wenn Phillip Boa die Songs seiner Platte „Hair“ noch einmal aufführt.
RENÉ HAMANN
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