„Ausnehmen muss enden“

VORTRAG Autor von „Griechenland im Würgegriff“ plädiert für mehr Solidarität mit Griechenland

■ 64, der Politologe und Autor ist bei der Organisation Attac und im Sozialforum München politisch aktiv.

taz: Herr Kleiser, es gibt eine regelrechte Flut an Informationen zur Griechenland-Krise und zur neuen Regierung. Was können Sie dem in Ihrem Vortrag noch Neues hinzufügen?

Paul Kleiser: Ich glaube, die Zahl der Experten, die was von Griechenland verstehen, ist in Deutschland überschaubar. Es ist wahr, dass es eine Flut von Informationen gibt, aber man muss gucken, ob diese Informationen stimmen und wie sie eingeordnet werden können.

Und was macht Sie da zum Experten?

Erstens war ich in den letzten 40 Jahren sehr häufig in Griechenland und zweitens habe ich das Buch „Griechenland im Würgegriff“ geschrieben, wo auch Beiträge von meinen griechischen Freunden und Freundinnen verzeichnet sind.

Wieso setzen Sie sich für Griechenland und gegen die vollständige Rückzahlung der Schulden ein?

Griechenland ist eine Klassengesellschaft: Es gibt die reichen Griechen, insbesondere die rund 700 Reederfamilien. Aber es gibt eben die andere Hälfte der Bevölkerung, die zum Teil zu den ärmsten Menschen in Europa zählen und durch die Krise massive Verluste erlitten haben.

Warum verfolgt die deutsche Regierung dennoch den harten Sparkurs?

Weil sie im doppelten Sinne profitiert. Das Interessante ist ja, das immer von den Schulden und den Schuldnern gesprochen wird, nie von den Gläubigern. Griechenland hat in den letzten 25 Jahren aber ungefähr 700 Milliarden Euro an Zinsen bezahlt. Ungefähr ein Viertel davon ist an griechische Gläubiger, die große Mehrheit aber an deutsche und französische, italienische und luxemburgische Banken gegangen. Diese Form des Transfers, also des Ausnehmens des Landes, muss einfach aufhören.

Wie können Hamburger Solidarität mit Griechenland zeigen? Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Besonders im Gesundheitswesen gibt es einen riesigen Bedarf an Geldern, Medikamenten und medizinischen Geräten. Zudem gibt es die Notwendigkeit, über die dortigen Verhältnisse, die Arbeitslosigkeit und deren Konsequenzen Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir sollten sozusagen wirkliche Europäer sein, die eben alles tun, damit die griechische Krise zugunsten der großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung gelöst wird und nicht zugunsten der Kapitalbesitzer.  INTERVIEW: VAR

Vortrag „Griechenland gegen die Austeritätspolitik – Eine Chance für Europa“: 19 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32-24