Komplett verseucht

ICC Senatsverwaltung klärt in Antwort auf parlamentarische Anfrage den Zustand des Internationalen Congress Centrums. Messe-Chef soll sich in Parlamentsausschuss äußern

■ Das 1979 eröffnete Internationale Congress Centrum (ICC) gilt seit Langem als sanierungsbedürftig – längst nicht nur mit Blick auf eine Schadstoffbelastung, sondern vor allem bei technischer Ausstattung und Raumaufteilung. Ebenso lang läuft die Diskussion über seine Zukunft.

■ 2008 legte sich der damals rot-rote Senat darauf fest, das 320 Meter lange und 80 Meter breite Gebäude an der Stadtautobahn nicht abzureißen, sondern zu sanieren. 2012 einigte sich die inzwischen rot-schwarze Regierungskoalition darauf, für eine Sanierung nicht mehr als 200 Millionen auszugeben. Das hieß für viele, dass vorerst gar nichts geschehen würde. Denn um das Gebäude wieder richtig kongresstauglich zu machen, wurden schon damals rund 330 Millionen Euro genannt. (sta)

VON STEFAN ALBERTI

Das Internationale Congress-Centrum (ICC) ist definitiv im gesamten Gebäude mit Asbest und weiteren gesundheitsschädlichen Stoffen belastet, vor allem künstlichen Mineralfasern. Das geht aus einer Antwort der CDU-geführten Senatsverwaltung für Wirtschaft auf eine parlamentarische Anfrage hervor. Das seit April 2014 geschlossene Gebäude davon zu befreien würde allein rund 44 Millionen Euro kosten und etwa drei Jahre dauern.

Nachgehakt hatte das CDU-Abgeordnetenhausmitglied Michael Garmer, dessen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf das ICC prägt. „Es gab immer wieder Irritationen durch Mutmaßungen, ob da wirklich so viel Asbest drin ist“, sagte Garmer der taz. Er habe deshalb Klarheit haben wollen. Von den belastenden Stoffen betroffen ist nicht etwa nur ein Teil des ICC. „Die Schadstoffe sind weitgehend im gesamten Gebäude verteilt“, heißt es in dem Schreiben von Staatssekretär Henner Bunde (CDU). Messungen würden aber keine oder deutlich unter den entsprechenden Schwellenwerten liegende Belastungen ergeben.

Die Menge des zu entsorgenden asbestverseuchten Materials gibt die Senatsverwaltung mit 90.000 Kubikmetern an. Damit ließe sich ein würfelförmiges 44 Meter hohes Gebäude – die übliche Berliner Bauhöhe ist 22 Meter – komplett ausfüllen.

Die Antwort fällt in eine Phase, in der die Zukunft des ICC wieder offen scheint. Bis Jahresende galt, was SPD und CDU im Herbst 2012 vereinbart haben: zwar nicht abschließen und den Schlüssel wegwerfen, aber auch nicht für mehr als 200 Millionen Euro sanieren, nicht nur in Sachen Schadstoffe, sondern generell. Damit aber schien ausgeschlossen, das ICC jemals wieder als Kongressort nutzen zu können, weil das angeblich weit über 300 Millionen kostet. Aus einer Machbarkeitsstudie von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) ergab sich, dass es eine Mischnutzung mit einem Einkaufszentrum geben könnte.

Dagegen aber regte sich gleich mehrfach Widerstand. Zum einen gab es die Befürchtung, auch von CDU-Mann Garmer, dass darunter der örtliche Einzelhandel massiv leiden könnte. Zum anderen gingen Berlin offenbar mehrere Anfragen für Messen und Kongresse verloren, weil der Platz fehlte – was automatisch zu der Frage führte, ob beim ICC nicht doch noch etwas in dieser Richtung zu machen ist.

Am meisten Rückenwind bekam dieser Gedanke Anfang Januar durch ein Morgenpost-Interview des damals noch neuen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), der sich eine erneute Kongressnutzung gut vorstellen konnte. Er hielt es für möglich, einen Teil der Fläche einem privaten Investor zu überlassen, etwa einem Hotel, und den an den Sanierungskosten zu beteiligen. „Ein Shoppingcenter ist nicht Beschlusslage des Senats“, machte Müller klar. Eine Entscheidung soll es erst geben, wenn ein für diesen Monat erwartetes Gutachten zu den Auswirkungen auf den bestehenden Einzelhandel vorliegt.

Der CDU-Abgeordnete Garmer kann sich auch vorstellen, dass die Zentral- und Landesbibliothek ins ICC zieht, für die bis zum Volksentscheid im vergangenen Mai ein Neubau am Tempelhofer Feld geplant war. Weil dafür rund 270 Millionen Euro vorgesehen waren, sieht Garmer zusammen mit den fürs ICC maximal veranschlagten 200 Millionen durchaus mehr Möglichkeiten. Für das ICC als Bibliotheksstandort hat sich auch mehrfach SPD-Fraktionschef Raed Saleh stark gemacht.

Über die landeseigene Messegesellschaft heißt es, sie habe trotz Platzmangels kein übermäßiges Interesse am ICC als Kongressort. Mehr Klarheit dazu soll die übernächste Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 23. März bringen, an der Messe-Chef Christian Göke teilnehmen soll.