Konzept mit Respekt

Der Orthopäde Ludwig Flocken hat in seiner Praxis ein ganz eigenes Abrechnungssystem mit Strafzahlungen geschaffen. Dafür drohen ihm nun berufsrechtliche Konsequenzen

„Jeder soll sich Gedanken machen und am Ende das Gefühl haben, dass es in Ordnung ist, was er bezahlt hat.“

VON Elke Spanner

Ein Besuch in der Praxis von Ludwig Flocken ist mit einer Gewissensentscheidung verbunden: Was ist mir meine Gesundheit wert? Bei dem Bergedorfer Orthopäden entscheiden die Patienten selbst, wie viel sie für ihre Behandlung bezahlen. Flocken hat keine Kassenzulassung und ist auf Akupunktur spezialisiert, was ohnehin nur in speziellen Fällen Kassenleistung ist. Deshalb hat er sein eigenes Abrechnungssystem geschaffen– das ihm nun Ärger mit der Ärztekammer eingetragen hat. Die hat ihm ein berufsrechtliches Verfahren angedroht.

Die Geschichte um Flocken ist auf zweierlei Weise zu erzählen. Wer sich das Konzept der Praxis von ihm erklären lässt, erfährt viel über menschlichen Umgang, gegenseitigen Respekt und gegenseitiges Geben und Nehmen. Der Anthroposoph sagt, seine Patienten seien frei in ihrer Entscheidung darüber, wie viel ihnen die Behandlung bei einem Arzt wert ist, der ihnen feste Termine ohne Wartezeit und alle erforderliche Zuwendung garantiert. Einzelne Leistungen abzurechnen, wie es nach der Gebührenordnung für Ärzte üblich ist, fände er „kleinkariert“. Schließlich wolle er seinen Patienten nicht nach der Akupunktur sagen müssen: „Jetzt machen wir noch für fünf Euro Übungen.“

Honorar, erklärt Flocken, heiße übersetzt Ehrengabe, und so versteht er auch seine Bezahlung. Dabei gibt er seinen Patienten nicht einmal einen Rahmen vor, in dem sie über die angemessene Höhe des Honorars entscheiden können. Das mindeste, was er bisher für eine Behandlung bekam, war fünf Euro, der Höchstsatz 170 Euro.

Den Respekt, den er seinen Patienten entgegenbringt, verlangt er auch von ihnen. Deshalb ist eine weitere Besonderheit seines Abrechnungssystem das Fonds-Modell: Flocken garantiert seinen Patienten, dass sie bei ihrem Termin nicht länger als fünf Minuten im Wartezimmer sitzen. Im Gegenzug verlangt auch er Verbindlichkeit: Termine müssen vom Patienten schriftlich bestätigt werden. Wer seinen Termin dann nicht einhält, wird aufgefordert, an den von Flocken gegründeten Verein Therapeutikum Apis zu spenden. Aus dem Fonds des Vereins, sagt der Orthopäde, finanziere er die Behandlung von mittellosen Patienten: 30 Euro zahlt er sich selbst für die Behandlung eines Kranken aus, der nicht aus eigener Tasche dafür bezahlen kann.

„Die Patienten sollen auch uns gegenüber Respekt zeigen“, sagt Flocken. „Dafür, dass wir umsonst Zeit für sie reserviert haben, sollen sie einen Ausgleich schaffen.“ Zum Ausgleich könne ein Patient, der zum Termin nicht erschienen ist, deshalb an den Verein Therapeutikum Apis spenden. Kann oder muss? „Kann“, sagt Flocken. Bleibt der geforderte Ausgleich aus, ist es mit dem Respekt von Seiten Flockens allerdings vorbei: Dann gibt es in seiner Praxis Hausverbot. „Solche Leute will ich hier gar nicht haben.“

Die andere Sichtweise beschreibt einen Mediziner, dessen eigenwilliges Praxiskonzept mit dem Berufsrecht von Ärzten nur schwer vereinbar ist. Dies ist die Sicht der Hamburger Ärztekammer. Sprecherin Sandra Wilsdorf bestätigt, dass es berufsrechtliche Ermittlungen gegen den eigenwilligen Mediziner aus Bergedorf gibt. Grundsätzlich, sagt sie, seien Arzthonorare nicht frei verhandelbar. Es gebe eine Gebührenordnung für Ärzte, an die sich jeder Mediziner zu halten habe. Die dort festgelegten Sätze dürften zum Schutz von Patienten und Kollegen nicht beliebig unter- oder überschritten werden. Auch für ausgefallene Termine gebe es klare gesetzliche Regelungen. Bei zu kurzfristiger Absage könnten Ärzte Ausfallhonorare verlangen, wenn sie nachweisen könnten, dass sie die Zeit nicht anderweitig sinnvoll nutzen konnten.

Im Jahr 2000 hatte Flocken es schon einmal mit der ärztlichen Standesvertretung zu tun. Damals hatte er noch von seinen Patienten ein pauschales Honorar für jede Behandlung verlangt. Das habe die Kammer ihm verboten, weil Pauschalabrechnungen grundsätzlich unzulässig seien. Außerdem habe er in unlauterer Weise Preisdumping betrieben.

Sein jetziges System, in dem jeder Patient selbst die Höhe des Honorars festlegt, hat er daraufhin entwickelt. „Jeder soll sich Gedanken machen und am Ende das Gefühl haben, dass es in Ordnung ist, was er bezahlt hat.“Auch darauf hat die Ärztekammer offenbar eine andere Sicht. Flocken sagt, bei einem Gespräch in der Kammer vor zwei Wochen habe man ihm vorgehalten, es sei unethisch, das Verhältnis zwischen dem Arzt und einem kranken Menschen mit der Entscheidung über die Höhe des Honorars zu belasten.