HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI: Vom Stalker zum Mörder
Beruflich ist Robert Forrester (Paddy Considine) erfolgreich, obgleich seine soziale Kompetenz zu wünschen übrig lässt. Wenn spontan ein paar Worte gefragt sind, wählt Robert zumeist die falschen. Bei einem Termin mit den Scheidungsanwälten lässt er die Häme seiner künftigen Exfrau lieber schweigend über sich ergehen.
Er kennt eigentlich nur eine Freude – abends steht er im Dunkeln unter den Bäumen und beobachtet eine junge Frau bei ihrer häuslichen Arbeit. Sie scheint mit sich selbst im Reinen, und etwas von diesem Glück teilt sich auch Robert mit. Gefahr geht von ihm nicht aus. Jenny Thierolf (Julia Stiles) spürt es, als sie ihn in ihrem Garten entdeckt. Erst ist sie vorsichtig, doch dann bittet sie ihn sogar herein.
Die Romantikerin Jenny glaubt an schicksalhafte Fügungen. Sie beendet die ohnehin unselige Beziehung zu ihrem Freund Greg und beginnt ihrerseits, Robert nachzustellen. Robert ist die Zuwendung eher unangenehm. Greg erweist sich als nachtragend, stoppt Robert auf einer einsamen Landstraße und verwickelt ihn in eine Schlägerei. Greg rutscht die Böschung hinab, Robert zieht ihn aus dem Wasser und macht sich davon. Doch Greg bleibt verschwunden. Als Robert mehrfach von der Polizei vernommen wird, gerät sein Leben aus den Fugen. Eine sicher geglaubte Beförderung wird zurückgenommen, der Hauswirt drängt ihn zum Auszug, Gregs Vater verprügelt ihn auf offener Straße.
In kluger Dosierung gibt Regisseur Jamie Thraves nach und nach mehr über seine Figuren preis. Robert ist depressiv. Seine Exfrau erwähnt beiläufig, dass ein Mann, der dieselben Medikamente einnahm, seine Frau umbrachte. Wurde auch Robert so zum Mörder? Oder ist er Opfer einer Intrige? Thraves braucht bei seiner Patricia-Highsmith-Adaption keine grotesken Mordszenarien nach Art Mankells, nicht einmal eine Leiche. Der Schrecken kommt schleichend. Und wirkt dadurch doppelt.
■ „Der Schrei der Eule“, Sa., 23.55 Uhr, BR
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