Kaffee ohne Konsens

GESCHICHTEN Der umstrittene serbische Filmemacher Emir Kusturica hat seine Autobiografie vorgelegt

Ob bei der ersten Verabredung mit der großen Liebe, vor dem Künstlerischen Beirat der Arbeiterorganisation, bei der Verleihung der Goldenen Palme oder während der Audienz beim bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic, Emir Kusturica folgte immer dem Prinzip, entweder eine gute Geschichte zu erzählen oder einen Auftritt hinzulegen, über den noch lange gesprochen wird.

Derzeit ist es international ruhig geworden um den 1954 im bosnischen Sarajevo geborenen Regisseur. Seine Filme waren in den vergangenen Jahren weniger im Gespräch als seine fragwürdige Haltung zur serbischen Politik. In Serbien sieht das anders aus. Dort war seine nun auf Deutsch erschienene Biografie der Bestseller des vergangenen Jahres. Für gute Publicity sorgten vor allem serbische Politiker, wie der Außenminister Vuk Jeremic und der ehemalige Präsident Vojislav Kostunica, die das Buch unterstützten. Seit Jahren wird Kusturica dafür kritisiert, die Positionen serbischer Nationalisten zu vertreten und die bosnischen verraten zu haben. Darauf geht er in seiner Biografie nur äußerst knapp ein, indem er seine Mutter die Frage stellen lässt, zu wem er denn nun gehöre. Und er antwortet, dass er den serbischen Staatspräsidenten Slobodan Milosevic nur verteidigt habe, weil dieser damals allein gegen den Rest der Welt kämpfen musste. „Du bist ein politischer Idiot“, lässt Kusturica daraufhin seine Mutter sagen.

Mit politischen Dissidenten hatte „Kusta“ immer schon zu tun. Bei den Kusturicas in Sarajevo, wo er aufwächst, gingen Politiker, Intellektuelle und Künstler ein und aus, die keine großen Fans der Sozialistischen Föderation waren. Nach dem Regiestudium in Prag gewann Kusturica bereits 1981 mit seinem ersten Kinofilm, „Erinnerst du dich an Dolly Bell?“, den Goldenen Bären in Venedig und vier Jahre später mit seinem zweiten Film, „Papa ist auf Dienstreise“, die Goldene Palme in Cannes. Beide Filme thematisieren die Auswirkung des repressiven sozialistischen Systems auf die persönliche Entwicklung von Jugendlichen und sind die besten Filme, die er je gemacht hat, auch wenn er 1995 mit „Underground“ internationalen Kinoerfolg hatte. Der Mangel an Anerkennung in seinem Heimatland Bosnien habe ihm jedoch schon vor dem Bürgerkrieg zu schaffen gemacht. Und so verließ Kusturica 1989 Sarajevo. In Sarajevo habe er keinen „Kaffee mit Konsens“ mehr trinken können. Ständig habe er allen widersprechen müssen.

Ob der Kaffee ohne Konsens also der Grund ist, warum sich Kusturica serbisch-orthodox taufen ließ und sich nie mit bosnischen, dafür aber mit einflussreichen nationalistischen, serbischen Politikern einlässt, um seine Projekte zu bewerben und finanzieren zu lassen? Kusturica ist schon lange nicht mehr konsensfähig. Leider ist er auch bei Weitem kein so guter Literat wie Filmemacher. Zwar hat man ein lebendiges Bild von dem in seiner Biografie beschriebenen Personal vor Augen. Doch das liegt daran, dass man in den Darstellungen der Eltern und Verwandten, den politischen Kommissaren und Kleinkriminellen das Personal aus seinen Filmen wiedererkennt. In diesen stammen die Dialoge jedoch von seinem langjährigen begnadeten Drehbuchschreiber Abdullah Sidran. Dennoch eignen sich Kusturicas Geschichten aus seinem „bisherigen Leben“ für einen kurzweiligen Ausflug in jugoslawisch und postjugoslawisch absurdes Kino.

DORIS AKRAP

■ Emir Kusturica: „Der Tod ist ein unbestätigtes Gerücht. Mein bisheriges Leben“. Aus dem Serbischen von Masa Dabic. Knaus Verlag, München 2011, 352 S., 19,99 Euro