Gut, dass die Debatte Fahrt aufnimmt

Zum Vorschlag eines Pflichttickets

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Die sind nicht mehr normal!“, flucht jemand auf der Facebook-Seite der Morgenpost angesichts des Vorschlags der Linken, ein Pflichtticket für den Nahverkehr einzuführen. „Ich zahle doch nicht für etwas, was ich nicht in Anspruch nehme!“

Das stimmt natürlich nicht. Wir alle, restlos alle leisten über diverse Steuern unseren Beitrag zu Dingen, die uns nie direkt zugutekommen. Andererseits würden alle von einer radikalen Vereinfachung der ÖPNV-Nutzung profitieren, selbst Hardcore-Autofahrer: durch bessere Luft, durch weniger Lärm, durch mehr Platz auf den Straßen.

Aber auf der Mikroebene ist es tatsächlich schwierig, durch die Erhebung einer Zwangsgebühr jedem Einzelnen den scheinbaren Widerspruch unter die Nase zu reiben: Man bezahlt eine konkrete Dienstleistung, ohne sie zu wollen. Die GEZ lässt grüßen.

Das Modell der Grünen, ein noch billigeres Pflichtticket mit einem Zusatztarif für die Rushhour zu verbinden, ist noch problematischer: Es schafft erstens eine Zweiklassengesellschaft und zweitens neue logistische Herausforderungen. Man stelle sich das Gedränge vor, wenn massenhaft preisbewusste Nutzer am Rand der Sonderzeit entlangsurfen wollen.

Viel eleganter ist da die ursprüngliche Idee der Piraten, die Tickets ganz abzuschaffen und den Gebührenanteil durch Haushaltsmittel zu ersetzen. Das würde nicht nur niemanden diskriminieren – es machte auch die komplette Bezahl- und Kontrollinfrastruktur überflüssig.

Kann sein, dass das nicht ohne Weiteres klappt. Wahrscheinlich müsste man stufenweise vorgehen, Netze und Fuhrparks der steigenden Nachfrage anpassen. Alles nicht ohne. Aber was toll ist: dass eine Debatte über solche Ideen endlich Fahrt aufnimmt.