ANDREAS BEHN ÜBER DEN KORRUPTIONSSKANDAL IN BRASILIEN
: System bezahlter Gefälligkeiten

Die Ermittlungen gegen Dutzende Senatoren und Bundesabgeordnete wegen Korruption bringen das politische System Brasiliens ins Wanken. Die Enthüllungen im Petrobras-Skandal betreffen alle: den staatlichen Erdölkonzern und seinen Umgang mit öffentlichen Geldern, Topmanager großer Bauunternehmen, die regierende Arbeiterpartei PT und ihre Koalitionspartner sowie in geringem Maß sogar die Opposition. Politiker jeder Couleur stecken sich Bestechungsgelder in die Tasche oder stocken damit ihre Wahlkampfkasse auf. Die Verdächtigten schlagen schon jetzt mit wilden Verschwörungstheorien um sich, denn sie wissen, dass im korruptionsmüden Brasilien kaum Nachsicht erwartet werden kann.

Doch der Umgang mit diesem Skandal geht über das Lamentieren über korrupte Politiker hinaus. Erstmals stehen die Bestecher selbst, die Manager, im Mittelpunkt der Ermittlungen. Viele von ihnen sitzen seit Monaten in Haft und sind bereit, als Kronzeugen noch mehr Beteiligte in den Strudel hineinzuziehen. Die Untersuchungsrichter beharren bislang auf der Ansicht, dass das Übel von einem Kartell von Bauunternehmen ausging, die sich überteuerte öffentliche Großaufträge sichern wollten.

Damit stellt sich die Justiz auch gegen die politische Instrumentalisierung des Skandals durch die rechte Opposition und ihre Medien. Für diese findet die Korruption nur in der Arbeiterpartei und dem von ihr dominierten Staatsunternehmen Petrobras statt. So ist es für die Regierungskritiker ein Ärgernis, dass statt PTlern vor allem Politiker der rechten Koalitionsparteien PMDB und PP im Visier der Ermittler sind. Der Skandal zeigt: Das Problem ist weniger die Regierung von Dilma Rousseff als vielmehr ein politisches System, das auf bezahlten Gefälligkeiten statt politischen Überzeugungen aufbaut.

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