Am Bedarf vorbei finanziert

Der Elternverband „Landeselternausschuss Kindertagesstätten“ kritisiert, dass durch das Kitagutscheinsystem in Hamburg Kinder aus sozialen Brennpunkten benachteiligt werden

VON ELKE SPANNER

Der Fehler steckt nicht nur im Detail, er steckt im System: Solange das Kitagutschein-System an der Berufstätigkeit der Eltern ausgerichtet ist und nicht an der optimalen Bildung der Kinder, werde es nicht allen Kindern die gleichen Chancen ins Leben eröffnen. Der Elternverband „Landeselternausschuss Kindertagesstätten Hamburg (LEA)“, der dies kritisiert, erhofft sich ein Umdenken durch eine Umstrukturierung der Behörden: Die Bürgerschaft will die Kindertagesbetreuung, die zurzeit von der Sozialsenatorin verantwortet wird, zusammen mit dem Schulressort in der Bildungsbehörde ansiedeln. „Der Bildungsauftrag muss in den Vordergrund gerückt werden“, mahnt Peter Albrecht vom LEA. „Gerade in den sozialen Brennpunkten haben Kinder schlechtere Chancen“.

Bei seiner gestrigen Bilanz des Kitagutschein-System wies der LEA darauf hin, dass gerade Kitas in den ärmeren Stadtteilen einen geringeren Etat haben. Für die Tagesstätten ist es wichtig, möglichst viele Kinder mit einem Acht- oder Zehnstundenplatz zu betreuen. Die bringen mehr Geld in die Kita als ein Kind, das nur für fünf Stunden da ist. Die Ganztagesscheine bekommen aber nur Mädchen und Jungen, deren Eltern auch ganztags berufstätig sind. Folglich bekommen die Kitas in den Stadtteilen, in denen mehr arbeitslose Eltern leben, vom Jugendamt weniger Geld. Die Folge: Gerade dort, wo der Förderbedarf am größten ist, ist der Personalschlüssel besonders dünn. So ist es laut Isa Baumgart vom LEA keine Seltenheit, dass eine Erzieherin allein mit 30 Kindern ist. Oder dass 40 Kinder in einen Raum gepfercht werden, um Geld für Miete und Betreuung zu sparen. „Ein Drittel der Hamburger Kitas“, sagt LEA-Sprecher Albrecht, „arbeiten schlecht“.

Dabei hat der Senat hohe Bildungsziele formuliert. So sollen Kitas die gleiche Förderung leisten wie Vorschulen, über Sprachförderung, musische Angebote, Motorikschulungen, Naturerkundungen. Die Ausstattung aber ermöglicht ihnen kaum, diesen Auftrag zu erfüllen. Im Schnitt werden laut LEA in einer Krippe 13 Kinder im Alter bis zu drei Jahren von zwei ErzieherInnen betreut. Bei den Elementarkindern von drei bis sechs Jahren betreuen zwei ErzieherInnen schon 22-26 Kinder, und im Hort ist dann nur noch ein Betreuer für 31 Kinder da.

Der LEA fordert, einen „Kita-Tüv“ einzuführen, wie es ihn für die Schulen gibt. Die rund 900 Einrichtungen in der Stadt wären weitgehend unkontrolliert. Die Behörde wüsste kaum, was in den Kitas los ist, weil es keine externe Kontrolle gibt. Außerdem bräuchten die Eltern eine Stelle, an die sich sich mit ihren Beschwerden richten könnten.

Erfreulich sei, dass die Zahl der Kinder, die in Kindertagesstätten betreut werden, in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Mangelhaft sei hingegen, dass die Ganztagesplätze parallel abgebaut wurden: In den Krippen haben heute nur 59 Prozent der Kinder einen Ganztagesplatz, während es 2002 noch 79 Prozent waren. Fatale Folgen hatte laut LEA auch die Einführung des Essensgeldes vor zwei Jahren: Seit die Eltern unabhängig von ihrem Gehalt zusätzlich zum Kitabeitrag 13 Euro Essensgeld im Monat zahlen müssen, hätte rund ein Viertel der Eltern in den Brennpunkten ihre Kinder vom Mittagessen abgemeldet.