Bundeswehreinsatz im Innern

Außergewöhnlicher Verteidigungsfall: Baumsämlinge und Büsche hielten bei Celle die Heide besetzt. Gemeinsam konnten deutsche und französische Soldaten nun 600 Hektar befreien

AUS FASSBERG LUKAS SANDER

Beinahe wäre es ein „Kollateralschaden“ geworden. Dann hätte es einen Wacholderstrauch zerrissen. Stabsunteroffizier Kunze hätte das naturgeschützten Nadelgehölz einfach aus dem Erdreich gerissen und entsorgt: „Der ist so klein, den nehmen wir weg!“ Schließlich ist die Befehlslage eindeutig: Alles, was kein Heidekraut ist, soll aus raus der Landschaft. „Entkusseln“ nennt der Heidjer das, was im Idealfall Herden von Heidschnucken übernehmen. Doch davon gibt es in der Lüneburger Heide nur noch wenige. Und so staksen eben 200 Soldaten in Oliv durch die abgeblühte Landschaft, immer auf der Suche nach feindlichem „Gehölzanflug“.

Die Männer und Frauen sind im Fliegerhorst Faßberg im Kreis Celle stationiert: Offiziere, Rekruten, Auszubildende. Ihnen zur Seite stehen auch französische Dienstgrade, die sich in der „Technischen Schule der Luftwaffe“ am deutsch-französischen Kampfhubschrauber „Tiger“ ausbilden lassen. „Franzosen im linken Bereich, Deutsche im rechten Bereich“, befiehlt Hauptfeldwebel Grabowski. „Wir bewegen uns Richtung Sonne!“ Was für das Militär und rund 50 Schulkinder aus Faßberg ein vergnüglicher Ausflug ist, erklärt der Naturschutzwart des Kreises Celle, Wilhelm Marwede, ist für die Heide überlebenswichtig: „Sonst hätten wir hier in 20 Jahren eine Waldfläche. Also müssen wir die Wirtschaftsweise, die unsere Vorfahren vor 200 Jahren betrieben haben, nachmachen.“

Und das funktioniert ganz einfach: alle Bäume müssen radikal abgeholzt werden. Das klingt erst mal gar nicht nach Naturschutz, aber so entstand nun mal die Heide als Kulturlandschaft und als Lebensraum für seltenes Getier: Zauneidechsen, Kreuzottern und zahlreiche Heuschreckenarten mögen das trocken-warme Klima hier.

Rund 600 Hektar Heide hat Naturschutzwart Marwede im Kreis Celle zu betreuen. Zum Vergleich: Die größte zusammenhängende Fläche in der Lüneburger Heide liegt südlich von Hamburg bei Bispingen rund um den „Wilseder Berg“ und misst mehr als das 38-fache.

Da werden dann schon mal Maschinen eingesetzt, es wird abgemäht und „geschoppert“. Beim „Schoppern“ wird die oberste Humusschicht abgetragen und dem Erdreich so der Nährstoff entzogen. Es klingt paradox, aber genau das ist gut für die Sandheide. Denn die „blüht in der Armut auf“, umschreibt Celles Kreissprecher Ralf Schmidt das anspruchslose Heidekraut. „Reichern sich die Nährstoffe im Boden aber an, wandelt sich plötzlich das Pflanzenkleid, und es wachsen Pflanzen, die das Heidekraut verdrängen.“ Was fatal wäre – übrigens auch für den Tourismus in der Region.

Das ganze Jahr über sind Ehrenamtliche im Einsatz, um die Heide zu erhalten. „Meist sind es Bürger aus der Region, oft kommen auch Imkervereine zum Entkusseln der Heide“, erzählt Naturschutzwart Marwede. Die Soldaten vom Fliegerhorst Faßberg sind zum ersten Mal dabei. „Schön, einfach mal rauszukommen und der Umwelt was gutes zu tun“, sagt Stabsunteroffizier Kunze. Er scheint froh zu sein: Der kleine Wacholderstrauch hat überlebt.