Sie. Dienen. Deutschland.

Antimilitaristen kritisieren die Anwerbepraktiken der Bundeswehr in Schulen sowie die Rolle der Jobcenter in diesem Prozess. Nachfrage im einzigen Showroom der Bundeswehr

■ Die deutsche Streitmacht bewirbt die Vielzahl der von ihr gebotenen Karrierechancen. Unterstützung gibt es dafür auch von der Bundesagentur für Arbeit. Die antimilitaristische Initiative No War Berlin weist immer wieder auf den Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus hin und widmet sich beim offenen Treffen am Mittwoch der Rekrutierungspraxis der Bundeswehr und der Kooperation mit Jobcentern.

■ Mittwoch, 18. März 19 Uhr, Hinterzimmer im Café Commune, Reichenberger Straße 157

„Guten Tag, Presse. Hier ist meine Karte, damit Sie gleich wissen, welcher Feind sich eingeschlichen hat.“ Zur Mittagszeit ist im Showroom der Bundeswehr nicht viel los. Hier wird wie auf einem permanenten Jobmessestand über die militärischen und zivilen Erwerbsoptionen beim Bund informiert. Vertragsunterzeichnungen finden aber nicht hier, sondern in einem der 16 Karrierecenter statt. Das Soldaten-Zivilisten-Verhältnis beträgt vier zu eins.

Man hat es mit Armeeangehörigen verschiedener Spezialisierungen zu tun; alle in Kommunikationslehrgängen für diese Tätigkeit geschult. Ein Soldat des Wachbataillons (jene mit stattlichem Körper, die mit geschultertem Karabiner Staatsgästen Wegmarkierungen erzeugen) bringt zwei Tassen Kaffee für Hauptmann Jürgen Klau und mich. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Juli 2011 (die zurückgenommen werden kann) konkurriert das Heer mit allen anderen Möglichkeiten der Ausbildungs- und Lebensgestaltung um Personal. Corporate Design und Claim, Imagepflege und PR zu Zwecken der Mitarbeiterakquise – die Gesetzmäßigkeiten gegenwartstypischer Unternehmensdarstellung wurden vollständig adaptiert. Musterung heißt jetzt Assessment. 2015 sollen für Nachwuchswerbung über 35 Millionen Euro ausgegeben werden.

Richtig bombig läuft es nämlich noch nicht: Das Ziel von 15.000 neuen Rekruten pro Jahr wird nicht erreicht und die Konvertierungsrate in Berufssoldaten könnte höher sein. Ein Grund für Letzteres könnte sein, dass sich die in der Ausbildung befindlichen Nachwuchs-Streitkräfte vielfach intellektuell und körperlich unterfordert fühlen (so weit eine Untersuchung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr). Bevor es so weit ist, werden potenzielle Rekrut*innen auch im Rahmen von Veranstaltungen in Schulen angesprochen, weiterhin kooperiert die Bundeswehr mit der Bundesagentur für Arbeit. Eine kleine Anfrage der Links-Fraktion (18/3290) brachte zutage, dass im ersten Quartal 2015 über 170 Werbeveranstaltungen in Jobcentern geplant sind.

Aus antimilitaristischer Perspektive betrachtet handelt es sich dabei um Propagandaeinsätze. Die Schwierigkeiten vieler Jugendlicher, einen Ausbildungsplatz oder Anstellung zu finden, und der massive Druck, der auf Erwerbslose ausgeübt wird, spielen der Bundeswehr in die Hände, so die Initiative No War Berlin. Soldat*in, sagen sie, sei kein normaler Beruf. „Es ist eine Ausbildung zum Töten und Getötetwerden.“ Jürgen Wursthorn von der Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit weist den Vorwurf, Erwerbslose würden zur Teilnahme an Bundeswehr-Events aufgefordert, als Unsinn zurück.

Im Showroom der Bundeswehr läuft ein Clip, dessen Narrativ entlang des Claims „Wir. Dienen. Deutschland.“ gesponnen ist. Die Verfassung gilt, wie ich erfahre, als die Bediente. Action, soziale Interaktion und Symbolbilder für Teamgeist und Fitness, dazu Filmmusik. „Das ist natürlich Werbung“, sagt Hauptmann Klau und nennt als häufigste Gründe, sich für eine militärische Laufbahn zu entscheiden, familiäre Prägung, die vergleichsweise lukrative Vergütung und die wirtschaftsunabhängige Job-Sicherheit. Es ist wenig Pathos im Spiel, es fallen keine Worthülsen wie die von der Verteidigung unserer Freiheit. Aber ich komme ja auch nicht als Rekrut infrage. Rund 30 Prozent der Besucher des Showrooms der Bundeswehr sind über 40 und fertig ausgebildet. Sie wollen sich über die Möglichkeiten einer zivilen Karriere bei der Bundeswehr erkundigen. Auch ältere Herren, die früher gedient haben, sind häufiger zu Gast. Manche warten am Morgen bereits darauf, dass sich die Tür öffnet. Und es gibt die Eltern. „Die Sorge, ihr Kind zu verlieren, kann ich den Eltern nicht nehmen“, sagt Hauptmann Klau. Seine Tochter sei auch bei der Bundeswehr. Er betone in Bewerbergesprächen immer wieder die erhöhte Gefahr für das Leben und die Unversehrtheit von Soldat*innen. Aber die Zeit, in der man vom Verheizen von Soldaten sprechen könne, sei zum Glück vorbei.

„Was denn nun, wenn ein Bewerber kommt, der so wörrrkläch Deutschland dienen möchte?“ So jemand würde sofort weggeschickt. Eine rechtsradikale Haltung ginge nicht und bedeute den Ausschluss aus dem Heer.

Man könne also nicht denken, die Bundeswehr sei wie eine Kehrschaufel, die sich den Bodensatz der Gesellschaft einverleibt? Nein. Das Anwerbeverfahren ähnle eher einem Hightech-Staubsauger, dessen Filtersysteme so eingestellt sind, dass nur die geeignetsten Teile aufgenommen werden.

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