Ein lebender Toter

SPIELFILM-BIOGRAFIE Der Auftaktfilm zur diesjährigen „Russischen Filmwoche“, die heute im Delphi Filmpalast beginnt, Pyotr Buslovs „Wyssozki – Danke, für mein Leben“, beschäftigt sich mit einem regimekritischen Sänger und Dichter am Rande des Verfalls

Spielfilmbiografien laufen stets ein wenig Gefahr, ein Leben mit falschen Kausalitäten auszustatten, um dem Gezeigten eine als notwendig empfundene Zwangsläufigkeit zu verleihen. Pyotr Buslovs Film über den 1980 im Alter von nur 42 Jahren verstorbenen russischen Sänger, Schauspieler und Dichter Vladimir Wyssozki umschifft diese Klippe elegant, indem er dessen an Wendungen und Absurditäten nicht eben armes Leben in einem nur wenige Tage umfassenden Plot kulminieren lässt.

Die Geschichte spielt im Sommer 1979, als der von Herzkammerflimmern, Drogen- und Alkoholsucht geschwächte Künstler, getrieben von einer Entourage aus Managern und Leibärzten, die Zusage gibt, eine Reihe von Konzerten in Usbekistan zu spielen. Dort angekommen, wird jedoch schnell klar, dass Wyssozkis körperlicher Verfall derart dramatische Züge angenommen hat, dass er ohne eine „Medikamenten“-Lieferung aus Moskau durch seine Freundin Tatjana den Aufenthalt nicht lebend überstehen wird. Da aber der KGB gleichzeitig versucht, den aufgrund seiner regimekritischen Texte ins Visier des Staatsapparats Geratenen des Drogenbesitzes zu überführen, beginnt ein rasanter Wettlauf mit der Zeit.

Im Auftaktfilm der heute im Delphi Filmpalast beginnenden „Russischen Filmwoche“, zu dem Vladimir Wyssozkis Sohn Nikita das Drehbuch geschrieben hat, ist die Kamera ständig in Bewegung: Schwerelose Kamerafahrten und Luftaufnahmen werden kontrastiert mit beklemmenden Handkamera-Close-ups. Durch einen oftmals sehr geringen Schärfebereich werden die einzelnen Figuren zudem zumeist von ihrer Umgebung isoliert. Was auf erzählerischer Ebene gut passt, verfolgt doch hier ein jeder seine ganz eigene, undurchschaubare, private Agenda. Es wäre albern zu behaupten, Buslovs Film würde seinen Protagonisten nicht überhöhen. Ganz im Gegenteil: Immer wieder fühlt man sich beim Anblick dieses Leidenden an Christus erinnert.

Sein letzter Kampf

Allerdings – und diese Ambivalenz macht die apotheotischen Züge erträglich – wird Wyssozki gleichzeitig als Untoter, als Zombie, inszeniert. Er ist leichenblass, spricht wenig, schwitzt permanent, wird nur noch durch Medikamente und Drogen am Leben gehalten. Bis auch diese dazu nicht mehr in der Lage sind und Wyssozkis Herz für sagenhafte acht Minuten stehen bleibt. Als er dann mit einer Adrenalinspritze zurück ins Leben geholt wird (aufersteht?), scheint er plötzlich von allen Leiden geheilt und kann sich so seinem letzten, entscheidenden Kampf stellen.

ANDREAS RESCH

■ „Wyssozki – Danke, für mein Leben“. Regie: Pyotr Buslov. Mit Andrej Smoljakow, Oksana Akinshina, Iwan Urgant, u. a., Russland 2011, 120 Min.

■ Pogramm: www.russische-filmwoche.de. Alle Filme laufen im Delphi Filmpalast, Russisches Haus und Kant Kino