Zeitgewinn und Angst im Libanon

Die Wahl eines neuen Präsidenten ist um eine Woche verschoben – zunächst bleibt unklar, wie es weitergeht. Viele Libanesen befürchten ein gefährliches Machtvakuum

KAIRO taz ■ Erleichterung und Angst wie es weitergeht. So ließ sich die Lage in einem politisch völlig polarisierten Libanon beschreiben, wenige Stunden bevor die Amtszeit des libanesischen Präsidenten Emile Lahoud am Freitag um Mitternacht ausläuft.

Erleichterung, weil am Nachmittag noch einmal Schlimmeres abgewendet worden war, nachdem das Parlament die Wahl des Präsidenten bis zum 30. November verschoben hatte. Anwesend waren nur die Abgeordneten der von den USA und Saudi-Arabien gestützten Regierungsmehrheit. Die von Hisbollah angeführte Opposition blieb der Sitzung fern. Dass die Regierung von der Drohung absah, mit einfacher Mehrheit ihren Kandidaten durchzusetzen, zeigt, dass sie die Lage nicht noch mehr verschärfen will. Die Opposition hätte den Schritt nicht akzeptiert, da für die Wahl eines Präsidenten eine Zweidrittelanwesenheit der Abgeordneten vorgesehen ist. Fast zwangsläufig hätte das dazu geführt, dass es im Libanon zwei Regierungen gegeben hätte.

Unklar bleibt, wie es weitergeht. Geschieht nichts, geht die Macht des der Opposition nahestehenden Präsidenten automatisch auf die Regierung über. Lahoud hat aber auch noch die Möglichkeit, seine Macht auf den Armeechef Michel Suliman zu übertragen.

Zwar haben beide politischen Lager mit der Verschiebung der Präsidentenwahl Zeit gewonnen, gleichzeitig ist aber ein gefährliches politisches Vakuum entstanden. „Wenn die Regierung des Premier Fuad Siniora Anzeichen macht, die Macht des Präsidenten zu übernehmen, werden wir innerhalb von Stunden auf die Straße gehen und die Regierung stürzen“, warnte der Oppositionspolitiker Wiam Wahab im Hisbollah-eigenen Fernsehen.

An allen Einfahrstraßen Beiruts sind gepanzerte Truppentransporter zu sehen. Das Militär zeigt schon seit Tagen verstärkt Präsenz. Der Befehl: „Keine Nachsicht gegenüber Störenfrieden.“ KARIM EL-GAWHARY