Guter Geschmack hat eine Adresse

HERKUNFT Die Vorteile regionaler Lebensmittel: kurze Transportwege und Transparenz, die Erhaltung der kulinarischen Vielfalt

Woher ein Lebensmittel stammt, ist für die Verbraucher nicht immer leicht zu erkennen

VON HEIDE REINHÄCKEL

Regionale Landwirtschaft zum Anfassen gibt es seit Anfang November in Bernau. Der neu eröffnete „Höfeladen“ bietet nicht nur Brot, Fleisch und Fisch, Gemüse und Honig aus dem Umland, sondern holt auch die Erzeuger ins Geschäft. „Die Landwirte, Gärtner, Imker, Fischer und Bäcker kommen regelmäßig in den Laden und stellen sich vor“, sagt Gründer Hans-Christoph Peters. Der Landwirt möchte mehr als einfach nur verkaufen: „Mich hat grundsätzlich die fehlende Kommunikation zwischen Konsumenten und Herstellern gestört, auch in Biosupermärkten, wo meist nur abkassiert wird.“ Der „Höfeladen“ versteht sich als Schnittstelle zwischen Verbrauchern und Produzenten, durchaus mit aufklärerischer Note. Im Geschäft steht ein großes Diorama mit wechselnden landwirtschaftlichen Themen, das gerade die Zuckerrübenernte zeigt. Der Schaukasten versinnbildlicht Peters Anliegen, die regionale Lebensmittelherstellung wieder konkret erfahrbar zu machen und Wissen über sie zu vermitteln. Der Höfeladen-Gründer lädt Schulklassen zur Besichtigung ein, die dann aus erster Hand etwas über Landwirtschaft erfahren.

Mit dem Angebot eines im Umland produzierten Lebensmittelsortiments, dessen Herkunft und Herstellung nachvollziehbar ist, trifft Peters einen wachsenden Verbrauchertrend. Denn die Vorteile regionaler Kulinarik haben viele Konsumenten erkannt: kurze Transportwege und Transparenz, die Erhaltung der kulinarischen Vielfalt und die Unterstützung der regionalen Wirtschaft. Doch woher ein Lebensmittel stammt, ist für die Verbraucher nicht immer leicht zu erkennen. Bekanntes Beispiel ist der Schwarzwälder Schinken. Er trägt die Bezeichnung „geschützte geographische Angabe“, die aber nur besagt, dass der Schinken im Schwarzwald gewürzt, geräuchert und geschnitten werden muss, während das Fleisch selbst sogar aus dem Ausland kommen darf.

Wie regionale Rohstoffherstellung, Verarbeitung und Vertrieb Hand in Hand gehen, zeigt dagegen das Beispiel der Bio-Molkerei der Hoffnungstaler Werkstätten in Biesenthal nördlich von Berlin. Seit einem Jahr sind ihre Produkte unter der Marke „Lobetaler Bio“ im Naturkosthandel zu finden. Für den Berliner Markt hat die Molkerei das erste deutsche Bio-Ayran hergestellt. Die komplette Rohmilch für die Herstellung von Natur- und Fruchtjoghurt, Dickmilch, Sauermilch und Weichkäse stammt aus den eigenen Höfen in Lobetal und Dreibrück. „Im Jahr 2010 hat die Produktion in der Molkerei nach einer dreijährigen Planungs- und Bauphase begonnen“, berichtet Michael Kuper die Vorgeschichte. Der Leiter der Molkerei war von Anfang an mit dabei. „Denn 2007 stellte sich den Hoffnungstaler Stiftungen die Frage, ob sich die Milchherstellung bei den sinkenden Milchpreisen noch rentiert, doch man wollte die hundertjährige landwirtschaftliche Tradition nicht einfach aufgeben.“ Deshalb wurde die eigene Landwirtschaft auf bio umgestellt und die Produktion gebaut. „Wir haben uns im Fachhandel mit dem Schwerpunkt weiße Linie auf dem regionalen Markt positioniert“, so Kuper. Mittlerweile verkauft der Betrieb seine weiße Ware im Raum Nordostdeutschland. „Wir sehen uns als die ostdeutsche Molkerei“, sagt Kuper. Neben der regionalen Milchwirtschaft mit Biofaktor zeichnet die Molkerei noch ein sozialer Aspekt aus, denn hier arbeiten auch Menschen mit Behinderungen.

Die Herkunft ist nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei Genussmitteln von Bedeutung. Diese finden sich in Flaschen verschiedener Form und Größe auf den Regalen bei „Dr. Kochan. Schnapskultur“ in der Berliner Immanuelkirchstraße. Die Brände, Geiste und Liköre stammen aus kleinen Familienbetrieben und Klöstern mit Brennrecht. „Meine Produkte sind regional verankert und handwerklich gut gemacht. Es gibt Gegenden, in denen spezielle Brände traditionell einen hohen Stellenwert haben, zum Beispiel der Zwetschgenbrand und das Kirschwasser in Franken oder der Bitter im alpenländischen Raum.“ Kochan, der sich vor der Eröffnung seines Spezialgeschäfts wissenschaftlich mit der Kulturgeschichte des Alkohols befasste, versteht sich als „Botschafter für den kleinen Schluck“. Er möchte die Vielfalt der Schnapskultur von Kleinproduzenten zeigen: „Wenn ein Kunde einen Gin sucht, empfehle ich den Doppelwacholder der Brennerei Eversbusch aus Hagen, das ist quasi der Urgin.“ Bis zur Einführung eindeutiger Zertifizierungen von regionalen Lebens- und Genussmitteln müssen Konsumenten auf Vertrauen und Kompetenz der Hersteller und Verkäufer setzen.