Kampf um jeden Meter

Die seit zwölf Jahren unvollendete Autobahn 281 geht in die Verlängerung – ist aber damit noch längst nicht fertig. Dauernd liegt oder steht was im Wege, hier die Weser, dort ein runder Tisch

von HELMUT DACHALE

Noch herrscht Ruhe auf der Autobahn. Kein Auto weit und breit, nur zwei Fahrradfahrer. Sie haben die Absperrung kurzerhand zur Seite geschoben und sind nun auf der linken Fahrspur unterwegs. Sightseeing auf der fast fertigen Neubaustrecke der Autobahn 281, die im Januar eröffnet werden soll. Ein teures Vergnügen. Die Bundesautobahn, die ausschließlich über Bremer Gebiet verläuft, wird zwar vorläufig nur um zwei Bauabschnitte verlängert. Aber auf einem der beiden lastet der höchste Kilometerpreis im deutschen Autobahnbau überhaupt: 74 Millionen Euro pro Kilometer. Immerhin – dafür wird eine Menge geboten: Trasse auf Stelzen, Trasse im Trog, und mittendrin geht’s über eine gewaltige Schrägseilbrücke. Für dieses Geld, murren Kritiker, ließe sich in den Weiten Mecklenburg-Vorpommerns eine zehnmal so lange Strecke in den Sand setzen.

Könne man nicht vergleichen, winkt Jürgen Mitz ab: „Diese Autobahn verläuft nun mal im städtischen Raum“, sagt der Leiter der Obersten Landesstraßenbaubehörde Bremens, „da haben wir es mit sehr viel höheren Grundstückspreisen als auf dem platten Land und meistens auch noch mit langwierigen Verhandlungen zu tun.“ Außerdem liege hier alle paar Meter was im Wege und müsse aufwändig beseitigt werden: „Kontaminierte Böden, frühere Müllkippen, Blindgänger, alte Kabel und Rohrleitungen.“ So gesehen, sagt Mitz, seien die Baukosten keinesfalls ungewöhnlich. Und auch die Bauzeit sei typisch für große Verkehrsinfrastruktur.

Vor inzwischen 30 Jahren kam man auf die Idee, die A 281 zu bauen. Die Grundidee war, dem Nord-Süd-Verkehr einen Bypass einzuziehen, die Magistralen A 27 und A 1 durch einen Bremer Link zu verknüpfen und so Durchgangstraßen von LKW-Kolonnen zu befreien. Verwirklicht wurde die wohl kürzeste Autobahn der Republik. Seit 1995 ragt dieser Stummel, ganze zwei Kilometer lang, in die alten Bremer Häfen und endet vor den Toren des Stahlwerks, eines der größten Arbeitgeber der Stadt.

Nun, zwölf Jahre später, geht es in die Verlängerung über insgesamt sechs Kilometer. Doch es fehlen die Verbindungen zur A 1 und zum Altbau, und dazu gehört auch ein kompletter Wesertunnel. Und möglicherweise fehlt auch das Geld, um das alles fertig zu stellen.

Der Bund will als Bauherr nicht mehr als 455 Millionen Euro ausgeben – inklusive einer Tunnel-Anschubfinanzierung von 40 Millionen. Damit könne man was anfangen, freut sich Jürgen Mitz, denn gerade das unterirdische Bauwerk galt lange Zeit als nicht finanzierbar. Es stand mal mit einer halben Million Euro in der Kalkulation. „Dass wir überhaupt weiterplanen konnten“, sagt der Straßenbauer, „liegt vor allem am F-Modell.“ Eine Finanzierungslösung, die erst seit 1994 erlaubt ist und seitdem als Baubeschleuniger gilt: Private Unternehmen sollen für das große Geld sorgen, bauen und auch betreiben und dafür anschließend Maut kassieren. Und damit sie überhaupt anbeißen, lockt der Bund mit etwas Startkapital. Allerdings: Das F-Modell hat bisher lediglich zwei Projekte hervorgebracht, bundesweit. Und eines davon, der Lübecker Herrentunnel, hat den Ruf, unrentabel zu sein. Im Übrigen steht noch in den Sternen, welcher Investor das Geschäft unter der Weser wagen will.

Auch Hans-Geert Hermans, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Seehausen-Hasenbüren, beschäftigt sich mit der Tunnelfrage. Er wohnt etwa da, wo die Autos mal aus der Erde kommen sollen. Und eigentlich hat er überhaupt nichts gegen Autobahn und Tunnelbau. „Warum auch?“, fragt er. „Der Verkehr würde doch unsere Ansiedlung gar nicht berühren.“ Aber eben nur dann nicht, davon ist Hermans überzeugt, wenn der Tunnel in ausreichender Länge gebohrt wird. „Unter aller Sau“ sei aber, was im Moment beabsichtigt ist: „Eine eklatante Fehlplanung“, sagt Hermans. Eine viel zu kurze Röhre. Etliche Häuser im dörflichen Seehausen müssten geopfert werden, mit der Ruhe wäre es für alle vorbei. Zusammen mit Fachleuten hat die Gemeinschaft eine um ein paar hundert Meter längere Variante durchgerechnet. Bei der liegt das Portal in akzeptabler Distanz. Mehrkosten neun Millionen Euro, wenn überhaupt. Ein runder Tisch brachte keine Einigung, jetzt will man den Rechtsweg beschreiten. „Wenn es sein muss, bis zum Bundesverwaltungsgericht“, donnert Hans-Geert Hermans. „Unsere Kriegskasse ist gut gefüllt.“

Auch anderswo regt sich neuerdings Widerstand. Aber auch in Bremen-Huckelriede finden sich keine Totalverweigerer. Die dortige Bürgerinitiative fordert eine „menschengerechte A 281“. Sie will keinen „Monsterknoten“, sondern ebenfalls etwas Unterirdisches. Reinhard Loske, seit sechs Monaten Bremens grüner Umwelt- und Verkehrssenator, hat auch die Knotengegner zu Tisch geladen. Er will darauf achten, dass der Weiterbau „die Bürger so wenig wie möglich berührt“. Und überhaupt, wenn man ihn ließe, „würde der Verkehr in Deutschland ganz anders aussehen“.

Nur ein Spiel auf Zeit, heißt es in Wirtschaftskreisen: Für die IHK Nord – ein Bündnis von 14 Industrie- und Handelskammern – zählt die Vollendung der A 281 zu den „vorrangigen Verkehrsprojekten in Norddeutschland“. Wenn es jedoch bei den jetzt fertig gestellten Bauabschnitten bliebe, „stünde die A 281 als nutzloser Torso in der Stadt“, menetekelt Lutz H. Peper, Präses der Bremer Handelskammer. Und das wäre „unerträglich“. Auch die Straßenbauer werden unruhig. Sie drängen darauf, wenigstens das Geld, das aus Berlin abrufbar ist, schnellstmöglich in Beton zu verwandeln.

Jetzt liegt eine von 600 Unternehmen unterschriebene Forderung nach „unverzüglichem Weiterbau“ bei Reinhard Loske. Auf den haben sich die Lobbyisten eingeschossen. Nicht zuletzt, weil er zur offiziellen Freigabe der A 281-Verlängerung nicht kommen will: „terminlich verhindert“. Dafür will sich der Senator am „Tag der offenen Autobahn“ auf die Piste wagen. Das ist der Tag, an dem man zum letzten Mal auf der A 281 wandern und Rad fahren darf.