Nie Teil einer Gruppe gewesen

Vor dem Oberlandesgericht Schleswig hat der mutmaßliche Al-Qaida-Unterstützer Redouane E. H. erstmals selbst ausgesagt. Sein Verteidiger war zufrieden, auch wenn manch klare Antwort fehlte

AUS SCHLESWIG ESTHER GEISSLINGER

Seit Prozessbeginn im Sommer hat er geschwiegen, aufmerksam zugehört, manchmal gelächelt, hin und wieder mit seinen Anwälten geflüstert. Jetzt redet Redouane E. H., dem die Bundesanwaltschaft vorwirft, die Terror-Organisation al-Qaida unterstützt zu haben. Gestern sprach der 37-jährige Deutsche, der in Marokko geboren wurde, vor dem Oberlandesgericht Schleswig über den Hauptvorwurf: die Gründung einer terroristischen Gruppe.

Ehe er im Juli 2006 an einem Hamburger Bahnhof festgenommen wurde, besaß E. H., der wegen seiner Doktorarbeit nach Deutschland gekommen war, einen Internetshop im Kieler Stadtteil Gaarden. Nach seiner Schilderung chattete er mit einem Mann, der mit ihm über die Probleme der sudanischen Provinz Darfur reden wollte. Da müsse man helfen, habe dieser gefragt – und ob E. H. Geld hätte? Das habe er verneint, aber interessant sei das Projekt ja – E. H. signalisierte, mitmachen zu wollen. Einige Mit-Chatter kannte er zu diesem Zeitpunkt – im Sommer 2006 – von arabischen Internetseiten und Online-Chats. Es sei darum gegangen, die Lage in Darfur zu verstehen, zu vermitteln – Pflicht für einen Muslim, wenn „Brüder“ streiten. Geplant sei gewesen, dass einer der Beteiligten in den Sudan reist, die Lage erkundet – am besten E. H. selbst. Gegangen sei es auch um eine militärische Ausbildung, „um sich selbst zu schützen“. E. H. sagt aus, er habe das spannend gefunden. „Abenteuerlust“ habe ihn getrieben, aber auch die Angst, fremde Truppen könnten sich im Sudan einmischen. Die Reise war geplant, als es zu Spannungen kam: Ein Beteiligter drängte zu sehr, schien nur an „Action“ interessiert.

E. H. und andere hätten sich zurückziehen wollen, aber noch nach einer eleganten Lösung gesucht. Überhaupt: Eine „Gruppe“ seien sie nie gewesen, nur eine „Versammlung“ – das sei falsch übersetzt worden. Parallel habe E. H. im Internet eine Frau in Jordanien kennen gelernt: Die Lehrerin, gläubig, mit Kopftuch, „erfüllte meine Forderungen an eine Frau“, sagt er. Heiraten habe er sie wollen und sich daher um ein Visum bemüht.

Daran hat das Gericht einige Zweifel. Tatsächlich gibt es merkwürdige Details: In dem Chat wurden Codewörter verwendet, so hieß der Sudan immer wieder „China“, Gefängnis wurde mit „Krankenhaus“ umschrieben. Das sei so üblich, sagt E. H. Die Informationen über Waffen, die sich auf seiner Festplatte fanden, will E. H. nur für einen Bekannten aufbewahrt haben. Dann lief er plötzlich mit einer Glatze herum – für die Polizei, die ihn bereits beschattete, ein Alarmsignal. Ein Freund habe ihm zu viel Haar abgeschnitten, erklärt E. H. In einem Chat habe er aber doch geschrieben, dank der Glatze werde er beim Grenzübertritt nicht erkannt, hält der Oberstaatsanwalt ihm vor – darauf fehlt eine klare Antwort.

Auch sein Treffen mit der Ex-Frau des mutmaßlichen Terroristen Said Bahaji kam zur Sprache. Zwar will E. H. gewusst haben, dass das „der Staatsfeind Nr. 1“ sei. Dennoch sei er bereit gewesen, die Frau nach Pakistan zu begleiten: „Das hätte wohl nicht jeder getan.“ Die Frau übergab ihm einen Brief, den er vernichtete. Bahaji selbst habe er nicht treffen wollen: „Viel zu gefährlich.“

Sein Verteidiger Thomas Piplak war nach der Aussage zufrieden. E. H. habe erst jetzt gesprochen, weil erst abgewartet werden sollte, welche Beweise die Staatsanwaltschaft präsentiert. Entsetzt sei er über die falschen Übersetzungen, sagte Piplak der taz.

Der Prozess wird fortgesetzt, zudem beginnen demnächst zwei Parallelverhandlungen gegen weitere Chatter.