Rechte fordert: „Dilma raus“

BRASILIEN Hunderttausende folgten dem Demonstrationsaufruf rechter Gruppen und Oppositionsparteien. Mit den sozialen Protesten von 2013 Jahren hat das nichts gemein

Zu spüren ist regelrechter Hass auf die Arbeiterpartei und die Präsidentin

AUS RIO DE JANEIRO ANDREAS BEHN

Die Polarisierung in Brasilien nimmt zu. Hunderttausende gingen am Sonntag in über 50 Städten gegen die Regierung der Arbeiterpartei PT auf die Straßen und forderten den Rücktritt der Präsidentin. „Fora Dilma“ – „Dilma raus“ –, stand auf zahlreichen Transparenten, oder: „Weg mit der PT“.

Den größten Marsch gab es mit gut 200.000 Teilnehmern in der Metropole São Paulo. Die zuvor von der Militärpolizei gemeldete und weltweit verbreitete Zahl von einer Million Teilnehmer wurde nicht bestätigt. In der Hauptstadt Brasilia waren es 45.000, in Rio de Janeiro rund 15.000 Demonstranten. Auch in Sydney, London oder Miami schlossen sich Brasilianer dem Protest an.

Zu spüren war ein regelrechter Hass auf die PT und die Präsidentin. Oft drifteten die Forderungen der Demonstranten weit nach rechts ab: Zahlreiche Transparente forderten eine Rückkehr der Militärdiktatur, andere waren mit Hakenkreuzen versehen. Einige wetterten auch gegen den „Kommunismus“ im Land, warnten vor einem Venezuela in Brasilien oder wollten sogar die Lehre von Paulo Freire aus dem Bildungswesen verbannen.

Es war vor allem die Mittelschicht, die dem Aufruf einiger rechter Gruppen in sozialen Netzwerken und der Oppositionsparteien folgten. Noch am gleichen Abend reagierten einige Minister auf den Massenprotest und kündigten neue Maßnahmen gegen Korruption an. Wie zuletzt während einer Rede von Rousseff wurde in schicken Stadtvierteln gleichzeitig auf Töpfen und Pfannen getrommelt.

In linken Kreisen werden die Demonstrationen als sogenannter dritter Wahlgang kritisiert. Offenbar akzeptiere die Rechte nicht, dass sie im vergangenen Oktober die Stichwahl gegen Amtsinhaberin Rousseff knapp verloren hat.

Erst am vergangenen Freitag waren zehntausende Gewerkschafter und Aktivisten in allen Bundesstaaten gegen die Rechte auf die Straßen gegangen. Sie verteidigten die Regierung gegen unlautere Kritik und nahmen auch den Ölkonzern Petrobras gegen Demontage und Privatisierung in Schutz.

Für den Soziologen Emir Sader handelt es sich um eine traditionelle Rechte, die nichts Neues zu bieten hat. Sie plädiere wie in anderen links regierten Ländern Lateinamerikas für „mehr Markt und einen schwachen Staat“. Und ziele darauf ab, die sozialen Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts wieder rückgängig zu machen, sagte Sader dem Nachrichtenportal RBA.

Teile dieser Rechten waren bereits in Juni und Juli 2013 an den Massenprotesten beteiligt. Doch der damalige soziale Aufstand ist mit diesem 15. März nicht zu vergleichen. Die Forderung nach besserer Gesundheitsversorgung oder anderen öffentlichen Dienstleistungen ist verschwunden. Damals wurde eine Vertiefung der Veränderungen und des beginnenden Sozialstaats eingefordert. Diesmal ging es um ein zurück in die Zeit vor dem ersten PT-Wahlsieg im Jahr 2002.