: Pappmöbel und Möpse
Gutscheine, Socken, Krawatten. „Nicht schon wieder“, denken viele unterm Christbaum. Dabei können Geschenke auch Begeisterung auslösen. Tipps, wo Berliner Besonderes finden können
VON JANET WEISHART
Handarbeit ist bei den meisten von uns auch dieses Jahr gefordert. Am Heiligabend, unterm Tannengrün. Da werden die Geschenke ausgepackt. Und dann gibt’s oft einen „schönen Duft“, ein paar „warme Socken“ … Haltung bewahren, heißt es dann. Die Gesichtsmuskeln dürfen nicht heruntersacken. Mal schön oben bleiben, ihr da. Freuen, aber nicht zu doll, sonst gibt es nächstes Jahr Ähnliches. Ein typischer Geschenkewahnsinnstag. Umso länger jemand auf der Welt weilt, umso mehr ahnt er das alles. Jeder kennt die Verzweiflung der anderen bei der Suche nach Schönem und die eigene. So führen seit Jahren dieselben Konsensgeschenke die Hitlisten an: Bücher, CDs, Kleider, Kosmetik.
Nichts zu schenken, das wäre eine Lösung. Aber die wenigsten wollen Heiligabend „ohne“ dastehen. Wer vorsorgt, hat es gut. Doch das tun wenige. Etwa 60 Prozent der Schenkenden stürzen sich erst zwei Wochen vorm Fest ins Getümmel. Natürlich gehetzt, natürlich verzweifelt. Psychologe Stefan Zimmer erklärt: „Wollen Menschen mehrere Geschenke kaufen, sind sie oft überfordert. Denn ein gutes Präsent für jemanden zu finden, heißt: Ich kenne dich und weiß, was dir gefällt.“ Zimmers Ausweg aus dem Last-Minute-Elend: „Man sollte zu Dingen greifen, die nicht unbedingt notwendig, dafür aber besonders oder witzig sind.“ Individuelles zeige Wertschätzung. Doch wo gibt es solches in den Weiten Berlins? Eine Antwort: in Museumsshops. Beispielsweise im Artshop des Deutschen Guggenheim (Unter den Linden 13/15), wo einem gleich die Schlauchvase (29 E) von Walter Musacchi auffällt. Weiße, transparente oder graue Bündel aus Gartenschläuchen – ein Hingucker – nur so oder mit Blumen. Witzig auch der Aschenbecher des Berliner Designers Jakob Diezinger (15 E): Ganz aus Sand gepresst, sorgt er politisch korrekt fürs sichere Qualmen daheim. Kunststoff zum Tragen gibt es in der Buchhandlung König im Martin-Gropius-Bau (Niederkirchnerstraße 7). Chefin Annette Roch empfiehlt Taschen aus Küchenboden (ab 89 E) Berliner Sam Cooper – alles Unikate, genoppt oder in Holzoptik.
Bis hierher hätte mancher 133 Euro ausgegeben. Da der Bürger dieses Jahr durchschnittlich 246 Euro für Weihnachtsgeschenke übrig haben will, hier noch mehr Antworten auf die Geschenkefrage: Zu empfehlen ist ein Anruf bei Julia Büttelmanns „Pappshow“ (Riemannstr. 9) – sozusagen um nicht auf all das Uniformiert-Individuelle reinzufallen. Die Buchbinderin bastelt seit 20 Jahren Schmuck, Uhren, Möbel aus Pappe – auch für Film und Fernsehen. Ihr Planetenmobile für Erwachsene (20 €) oder das Busen-Geduldspiel (6 €) sind erschwinglich und einzigartig. Besonders Schönes bietet auch das KaDeWe (Tauentzienstr. 21–24) zum eigenen Geburtstag, wie etwa limitierte Tassen à la Walter Gropius (2er Set, 139 €). Die kleinen, feinen im weihnachtlichen Goldmantel laden zum Rooibos aufs Sofa. Fürs Faulenzen während der Feiertage fehlen dann nur noch die ausgefallenen 70er-Jahre-Kissen (50 €), kreiert von s.wert design (Rosenthaler Str. 71). Bedruckt mit dem Ku’damm-Eck oder dem Steglitzer Bierpinsel passen sie perfekt zum Retro-Sofa. Sparsame könnten den Kulturbeutel „Nimmit“ lieben (ab 15 €). Aus Segeltuch gefertigt, hält er wohl ein Leben lang.
Die meisten Berliner Szeneläden geben sich auch im Advent designig-kühl. Ein wenig Kling-Glöckchen-Kling findet sich dann aber doch – im 2211 (Almstadtstraße 5). Bei Dieter Froelich, dem studierten Bekleidungsdesigner, der die Mode satt hatte und nun das Edle sammelt, leuchtet eine Mini-Weihnachtspyramide mit Totenköpfen (8 €). „Das Must-have, welches gerade Promis kaufen“, sei allerdings der Porzellanmops in Silber (82 €).
Jene, die schon alles haben, könnten dazu die „Windrider“ (9 €) vom Über-Store (Auguststr. 26a) überraschen. Die Hosenbeinschützer im Götterbotenlook verleihen Fahrrädern sprichwörtlich Flügel. Originell ist auch die Garderobe aus Lederbällen (139 €) oder das Porzellan zum Besticken (139 €). Weiter ramscht man bei „Edelramsch“ (Oranienburger 16) und findet den Speaky-Detektiv in Form von Schwein, Affe, Hund, Frosch (je 9,90 €). Das Tier hat 007-Qualitäten – nimmt am Schlüsselbund per Knopfdruck O-Töne auf und gibt sie auch wieder.
Jetzt noch ins „Schön und Gut“ (Prenzlauer Allee 225), denn dort soll es Kurioses geben. Stimmt, etwa eine Lederhose, die jodelt und mit einer Wurst ferngesteuert wird (29,95 €) oder Actionfiguren in Form von Einstein, Freud, Bach, Moses (je 12,95 €). Nun vielleicht noch etwas Warmes? Am besten im Café der Diakonie-Werkstätten (Schönwalder Allee 26). Denn in der „Gartenlaube“ ließe sich noch was ergattern. Vielleicht Keramik (ab 4 €) oder handgezogene Kerzen in Bruchoptik (ab 2,50 €). Die Unikate werden von 650 Behinderten mit Liebe und Geduld gefertigt. Über solch ein Geschenk kann sich jeder freuen – ehrlich.
Café „Gartenlaube“: Mo.–Do. 8.30–17, Fr. 8.30–12 und Sa. 12–17 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen