Writers Guild of America

Am Pariser Platz

Die gut 50 Demonstranten stehen sehr ungünstig, direkt in der touristischen Fotografierschneise aufs Brandenburger Tour. Fernsehen ist da und Fotografen, also scharen sich fotografierwütige Reisegruppen und Schulklassen um das Demonstrantenhäuflein – könnte ja wichtig sein, ist ja Berlin. Zwei ältere Herren mit Gamsbarthut und bayerischem Akzent sind noch skeptisch. „Was woint die nochat?“ – „Wois i net, was steht denn draf auf dene Schilder?“ – „We support: Writers Guild of America.“ – „Kennat die des net auf Deutsch draufschreim?“ – „Guild, ist des net was mit Schuidn? ‚Schulden Amerikas‘?“ - „Wois i net.“ – „Ja mei, s’Wetter is ja guat, da kennat se sich scho nostelln“.

Streik! Demonstration! Arbeitskampf! Trotz der hehren Anliegen herrscht bei den deutschen Drehbuchautoren, die heute ihre Solidarität mit ihren amerikanischen Kollegen bekunden, heitere Klassentreffenstimmung. „Na, du auch hier?“ – „Ja klar. Bin ja eigentlich gar nicht im Verband, aber Solidarität, weißt ja.“ Dann wagt sich eine Jugendgruppe zu nah an die Demonstranten und wird sofort in die Phalanx implementiert und mit Schildern bewaffnet. Erst mal verdutztes Gucken, dann erklärt ein Demonstrant: „Wisst ihr, da geht’s heute mehr um ein schönes Foto in den Nachrichten.“

Bilder! O-Töne! Was die Journalisten nicht alles wollen – sehr zur Verunsicherung zweier Frauen hinten links im Demonstrantenpulk: „Hoffentlich fragen die mich nix.“ – „Ich hab auch keine Ahnung.“ Langsam taucht die Sonne den Pariser Platz in versöhnliches Licht, die Kamerateams ziehen ab. Ein Demonstrant schaut fragend auf sein Schild, dann sagt er, mehr zu sich selbst: „Und wie werd ich das jetzt wieder los?“

ADRIAN RENNER