AMERICAN PIE
: Historisches Gastspiel

SPORTPOLITIK Cosmos New York bestreitet im Juni in Havanna eine Freundschaftspartie gegen das kubanische Fußball-Nationalteam

Es ist ein neuer PR-Coup des Klubs, der gerade den Spanier Raúl verpflichtete

Das Banner fällt auf. Selbst am Times Square in New York, wo es an Neonreklamen und Videowänden nicht mangelt. „Geschichte wird geschrieben – 2. Juni, Havanna, Kuba“ verkündet die LED-Leinwand. Das ist durchaus keine Übertreibung. Nicht weit von dort sitzt Seamus O’Brien in einem nahe gelegenen Luxushotel bei einer Pressekonferenz und verkündet, sein Klub Cosmos New York werde Anfang Juni in der kubanischen Hauptstadt auf die Nationalmannschaft des Landes treffen. „Alles passierte ziemlich schnell“, erklärt der Mittvierziger in hellgrauem Anzug und markanter Fönfrisur. Und er ergänzt: „In wenigen Wochen war alles geregelt und organisiert.“

Es ist ein neuer PR-Coup O’Briens, der seinem Klub schon mit der Verpflichtung der spanischen Kicker-Ikone Raúl die Schlagzeilen einiger Sportgazetten sichern konnte. „Ich hätte nie gedacht, dass wir nach der Verkündung des Raúl-Transfers so schnell den nächsten Meilenstein verzeichnen würden“, sagt O’Brien. „Es ist uns eine Ehre, die erste Profimannschaft zu sein, die Kuba besucht, seit unser Präsident ein neues Kapitel der diplomatischen Beziehungen aufgeschlagen hat.“ Im Dezember hatte US-Präsident Barack Obama eine Neuausrichtung des Verhältnisses zur sozialistischen Insel angekündigt und die über 50-jährige Isolation des Staates in Frage gestellt – ohne diesen historischen Schritt wäre das Freundschaftsspiel am 2. Juni folglich undenkbar gewesen.

Mit O’Brien sitzt an diesem Tag auch Walter Benitez, der Trainer der kubanischen Auswahl, in New York. Er ist sichtlich bewegt vom nahenden Aufeinandertreffen. „Als man mir erzählte, dass wir die Möglichkeit hätten, gegen Cosmos New York zu spielen, sagte ich sofort zu. Ein Spiel gegen einen Klub mit dieser Historie darf man nicht ablehnen“, schwärmt Benitez und fügt noch an: „Erst jetzt wird mir klar: Dieses Spiel ist noch viel größer, als ich zuerst gedacht habe.“

Cosmos New York lebt auch von seinem Mythos. Unvergessen ist das legendäre Team aus den 70er Jahren, als der Fußball in den USA kurzzeitig boomte und das Kunststück gelang, mit Péle, Franz Beckenbauer und Carlos Alberto gleich drei Ikonen des Sports in einer US-amerikanischen Mannschaft spielen zu lassen. Bis zu 40.000 Zuschauer verfolgten die Cosmos-Spiele zu jener Zeit im Stadion der Footballer der New York Giants. Mit dem finanziellen Kollaps der North American Soccer League (NASL) 1985 jedoch folgte auch das abrupte Aus für die teilnehmenden Klubs. Erst 2010 wurde mit großem Tamtam das Revival des bekanntesten Teams angekündigt, Pélé zum Ehren-Präsidenten ernannt. „Wir haben Großes vor“ verkündete der damalige Initiator Paul Kemsley, einst Vizepräsident von Tottenham Hotspur. Den großspurigen Worten folgten allerdings keine Taten – noch im August 2011 stand kein einziger Profi im Kader, für Testspiele musste auf U23-Talente und Gastspieler zurückgegriffen werden.

Erst mit O’Brien ging es wieder voran. „Wir sind zurück – aber dieses Mal ohne große Angeberei, sondern mit einem vernünftigen Konzept und Geschäftsplan“, betont der Brite immer wieder. Hinter dem Klub steht als finanzieller Unterstützer – neben hochkarätigen Sponsoren – eine Sportmarketinggruppe aus Saudi Arabien, über die O’Brien jedoch nicht gerne direkt sprechen mag. Mittlerweile spielt die Mannschaft in der zweitklassigen NASL. Die Teilnahme an der bekannteren und prestigeträchtigeren Major League Soccer scheiterte. Je nach Sichtweise und Interpretation war dies entweder den Kosten im dreistelligen Millionenbereich für die Liga-Zugehörigkeit oder dem attraktiveren Konzept der NASL geschuldet.

Der Name des Klubs hat indes noch immer eine hohe Anziehungskraft. „Ich war in Havanna, als Präsident Obama die Lockerung des Embargos bekannt gab“, erklärt Charles Rangel, der New York seit über 40 Jahren für die Demokraten im US-Repräsentantenhaus vertritt. „Bei meinem Besuch wurde mir klar: Die Kubaner lieben zwei Dinge an den USA: Sport – und alles andere.“ Cosmos New York darf gewiss mit einem freundlichen Empfang auf Kuba rechnen.DAVID-EMANUEL DIGILI