Knüppel aus dem Sack

GEWALT Truppen im Moskauer Stadtzentrum

MOSKAU dpa/afp | Nach Demonstrationen gegen Manipulationen bei der russischen Parlamentswahl und Hunderten Festnahmen hat die Staatsmacht gestern Sondereinheiten des Innenministeriums an wichtigen Punkten in der Hauptstadt stationiert. Nach Angaben der Moskauer Polizei waren bis zu 4.000 Polizisten und Soldaten des Innenministeriums in der Hauptstadt im Einsatz. Innenministeriumssprecher Oleg Jelnikow sprach von 11.500 Sicherheitskräften landesweit.

Am Abend drängten Polizisten auf dem Triumfalnaja-Platz in Moskau neue Demonstranten ab, während regierungstreue Gegendemonstranten die Parolen der Oppositionellen mit Trommeln übertönten, wie Oleg Orlow, Direktor der Menschenrechtsorganisation Memorial, sagte. Wie eine AFP-Journalistin berichtete, wurden rund hundert Demonstranten festgenommen. Unter ihnen war der ehemalige Vize-Regierungschef Boris Nemzow, der „von zehn behelmten Beamten der Anti-Aufruhr-Kräfte“ festgenommen wurde.

Kremlchef Dmitri Medwedjew wies Kritik an der Wahl scharf zurück. Es sei Sache der russischen Regierung und nicht internationaler Beobachter, aus möglichen Mängeln bei der Abstimmung die richtigen Schlüsse zu ziehen, sagte Medwedjew am Dienstag bei einem Treffen mit Wahlleiter Wladimir Tschurow. „Als Nächstes sagen sie uns noch, wie unsere Verfassung auszusehen hat“, sagte der Präsident.

In Litauens Hauptstadt Vilnius nannte US-Außenministerin Hillary Clinton am Rande eines OSZE-Treffens die Wahl „weder frei noch fair“. Die OSZE bezeichnete die Abstimmung als unfair.

„Der Aufmarsch der Truppen ist ein weiteres Beispiel für den Rückfall in alte Muster russischer Politik“, kritisierte der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU). „Russland braucht kein Zurück in die Vergangenheit, Russland braucht eine echte Modernisierung.“

Bestellter Jubel

Bei der Parlamentswahl hatte Einiges Russland mit 49,35 Prozent der Stimmen zwar deutliche Verluste erlitten, aber Beobachter hatten von massiven Manipulationen berichtet.

Die Opposition in Moskau erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. „Entgegen unseren Gesetzen darf kein Anwalt die Festgenommenen sehen“, sagte vor seiner Festnahme Boris Nemzow der Agentur Interfax. Unter den Festgenommenen waren auch der nicht zur Wahl zugelassene Oppositionspolitiker Ilja Jaschin und der bekannte Blogger Alexej Nawalnij. Beide wurden gestern zu 15 Tagen Haft verurteilt.

Regierungschef Putin forderte seine Partei auf, schnellstens auf die Probleme der Menschen einzugehen und die Verletzung von Menschenrechten zu verhindern. Er kündigte für die Zeit nach der Präsidentenwahl am 4. März 2012, für die er von der Kremlpartei nominiert ist, Erneuerungen an.

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