Das Requiem

Wieder drauf

Es war wieder passiert; in dieser Nacht, nach der alarmierenden SMS, hatte ich befürchtet, er würde die Wohnung verwüsten. Ich hatte ja keine Ahnung, wie es war, wieder draufzukommen; von dieser Düsternis, den körperlichen Auswirkungen.

Es hatte nichts von den übertriebenen Aufgeregtheiten, die ich von Freunden kannte, die früher auf schnellen Drogen gewesen waren; nichts von der Zerfahrenheit der Haschischraucher, ihrem unendlichen Gequatsche.

Er litt wohl furchtbar und wusste nun auch selbst, dass er sich weg- und einsperren lassen musste. „Here we are again – the man of disaster.“ Immer wieder wollte er das Requiem von Mozart hören; das lief die ganze Zeit. Ich saß am Schreibtisch und ordnete Fotos, er saß auf dem Sofa, eingehüllt in Decken und rauchte drei Tage ununterbrochen. Wenn die Platte aus war, drehte ich sie um oder machte Kräutertee.

Komischerweise fühlte ich mich in seiner düsteren Gegenwart ganz wohl. Manchmal setzte ich mich zu ihm, er erzählte von Heroin, wie das so ist und wie das so gelaufen war. Und dass jeder Junkie den anderen sofort erkenne; eine kleine Geste in der U-Bahn; man geht hin und fragt: „Alles klar?“ und ob er möglicherweise „was Braunes“ hätte. Komisch irgendwie, dass auch Geschäftsleute in feinen Anzügen auf H sind.

Den letzten Abend hatten wir „Abbey Road“ gehört, und als die Beatles dann „I need a fix cause I’m going down“ sangen, stellte ich die Platte sofort wieder aus.

Am frühen Morgen waren wir dann aufgestanden, hatten noch eine Zigarette geraucht und draußen im Hauseingang gewartet. Er hatte seine Gitarre dabei und spielte den Anfang von „The mercy seat“. Dann kam das Auto und nahm ihn mit.

DETLEF KUHLBRODT