Lieder über das Bleiben

Ach, diese jungen Leute. Kommen nach Berlin, trinken einen über den Durst, wollen unbedingt hier bleiben und schreiben dann noch ein Lied darüber. Auch Adna eröffnet ihr neues Album, „Run, Lucifer“, mit einem Stück, das von ihrem neuen Zuhause handelt. In „Intro – Berlin“ fragt die Schwedin, die seit einem Jahr in Berlin lebt, während Klavier, Stimmen und ein Marschrhythmus sich zum dramatischen Hintergrundbild verdichten: „Can we meet where heaven marrys the ocean?“ Das ist doch ein Satz, den sollte sich die Tourismusbehörde für die nächste Imagekampagne ausschneiden: Berlin, das ist dort, wo der Himmel das Meer heiratet.

Nicht zu empfehlen allerdings wäre es wohl, diese Werbekampagne mit Musik der gebürtigen Bosnierin, die in Göteborg aufgewachsen ist, zu unterlegen: Viel zu düster, zu irritierend und zu weihevoll klingt „Run, Lucifer“ – und eben kein bisschen nach Berliner Pfannkuchen oder schmuck verrottetem Altbau. Nein, die 20-Jährige ist trotz ihres zarten Alters eher in einer gotischen Kirche zu Hause. Oder in weiten, leeren Hallräumen, wo schon mal Seelen verloren gehen können. Überall halt, wo sich diese exzentrische Stimme zwischen Lorde, Zola Jesus und Björk so richtig breitmachen und ausufernd von schlaflosen Nächten, verlorener Liebe oder Blut, das aus Augen fließt, singen kann. Sie arbeitet am liebsten nachts, hat Adna zu Protokoll gegeben, und das kann man hören. Dream Pop ist nicht nur ein Trend von gestern, sondern eben auch ein sentimentaler Scheißdreck, verglichen mit den dunklen, tragischen und aufwühlenden Songs von Adna.

Aufwühlend ist auch „Skwamat“, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Das Debütalbum von Carmel Zoum, Französin mit kongolesischen Wurzeln, hüpft nicht nur im aufgeregten Dancehall-Rhythmus, sondern setzt sich auch noch mit dem Kapitalismus im generellen und der Fremdenfeindlichkeit hierzulande auseinander. Von der weiß die Sängerin, die 2000 nach Deutschland kam, ein Liedchen zu singen und ausführlich zu rappen – und das, unterstützt von diversen Kollegen und Kolleginnen, im fließenden Wechsel zwischen Englisch, Französisch und Deutsch.

So geschickt, wie Politik hier in partytaugliche Musik zwischen Seeed und Gentleman verpackt wird, dürften die jungen Leute auch das ziemlich gut finden. THOMAS WINKLER

■ Carmel Zoum: „Skwamat“ (Springstoff), Record Release Auftritt bei der Female Focus Party am 21. 3. im Cassiopeia

■ Adna: „Run, Lucifer“ (Despotz/ Cargo)