THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Ja, diese Berufe im Kulturbereich haben es in sich. Zum Beispiel Verlagslektorin. Da trifft man die Wahnsinns-Autoren, die man bewundert, sogar persönlich. Schreibt an ihren Werken mit, korrigiert, lektoriert und wer weiß welche Dienste sonst noch so anfallen können nach Feierabend. So zumindest stellt sich das der Dramatiker Fabrice Roger-Lacan vor, dessen neues Stück „Unwiderstehlich“ genau dies zum Thema hat. Beziehungsweise die Beziehungsverwicklungen, die der Beruf einer Frau bei ihrem Ehemann auslöst. Der ist Jurist und eines Tages ergreift die Vorstellung von ihm Besitz, seine Frau könnte einem berühmten Autor und Klienten eben jenes „unwiderstehliche“ Verlangen entgegenbringen, das die Stück den Titel „Unwiderstehlich“ gab. Aus dieser irrationalen Sorge schlägt die mit großer mathematischer Präzision verfasste Zwei-Personen-Komödie (als Lust-Spiel) ihre Funken. Der abwesende Autor, der die Quelle des Eifersuchtsdramas ist, tritt natürlich niemals in Erscheinung. Die Lust an der Untersuchung des „Verlangens“ liegt wahrscheinlich in der Familie. Denn der Großvater des 1966 geborenen Dramatikers Roger-Lacan war kein Geringerer als der legendäre Psychoanalytiker Jacques Lacan. Der Begriff „Begehren“ gehört zu den Pfeilern seiner komplexen Subjekt-Theorie. Allerdings hat der Enkel die Angelegenheit jetzt deutlich popularisiert. Und das ist auch gut so. Das Stück kommt, prominent u. a. mit Ex-Tatort-Kommissar Boris Aljinovic besetzt, in Europas einzig original erhaltenem Theater – genau, im Charlottenburger Renaissance Theater heraus (Renaissance Theater: Premiere am 21. März 2015, 20 Uhr).

Und so, wie das Theater von der Liebe und ihren Verwicklungen nicht lassen kann, geht es ihm auch mit den Mördern. Einer der tollsten Theatermörder ist Shakespeares Macbeth. Auch dieser ein Mann, der von seinen Trieben überwältigt wird – von seinen Machtgelüsten – und mordet, was ihm im Wege steht. Verführt wird er, so wollte es Shakespeare, von ein paar Hexen. Aber das ist natürlich bloß eine Theaterausrede, um das Drama noch etwas mit schrillem Personal zu würzen. Genau deswegen jedenfalls dachten sich einst die großen Alten, soll der Bürger ins Theater gehen: um sich dort vor Augen führen zu lassen, was passiert, wenn man die Triebe nicht im Griff hat, das Verlangen, Begehren oder wie auch immer man dieses unheimliche dunkle Gefühl nennen soll, das uns treibt und vor dem unsere Zivilisation sich stets so fürchtet. Am Deutschen Theater untersucht nun der Regisseur Tilmann Köhler Shakespeares blutiges Drama. Und zwar mit großer Besetzung! (Deutsches Theater: „Macbeth“, Premiere 19. März 19.30 Uhr).