nebensachen aus manila
: Schöne Bescherung oder: Festmusik am Schwimmbecken

Ich bekenne: Ich mag Weihnachten. Ich mag es sogar sehr. Und ich vermisse es, etwa die Düfte auf einem Weihnachtsmarkt: geröstete Mandeln, Glühwein, Lebkuchen – einfach herrlich. Aber Jahr um Jahr lässt diese fast kindliche Freude an Weihnachten nach. Die Philippinen sind irgendwie nicht die rechte Umgebung für das winterliche Fest. Dabei wird es einem gerade hier in Manila leicht gemacht, sich auf die Feiertage einzustimmen. Theoretisch jedenfalls.

Bereits Ende September taucht die erste Weihnachtsdekoration in den Einkaufscentern auf. Spätestens Mitte Oktober dudeln dann überall Christmas Carols in allen Tonlagen und Lautstärken. Der verfrühten festiven Kakophonie kann niemand entrinnen. Selbst am Pool werden jazzige Töne durch butterweiche Festlieder ersetzt. Im ersten Jahr mag es ja noch witzig sein, bei 33 Grad im Schatten „Wishing for a white Christmas“ zu hören, aber im sechsten Jahr und mit Aussicht auf zwei Monate unablässiger weihnachtlicher Berieselung kommen Fluchtgedanken auf.

Dabei ist das erst ein lauer Auftakt. Wer glaubt, dass das Christenfest in Deutschland kommerzialisiert ist, der kann auf den katholischen Philippinen sein blaues Wunder erleben. Im November fängt es mit dem Verschieben von Edelfraß an: Riesige Fresskörbe, gern gefüllt mit exotischen Spezialitäten wie Nürnberger Lebkuchen, Schweizer Käse und italienischer Pasta stapeln sich in Feinschmeckerläden.

Auf angehefteten Zetteln steht etwa „20 Körbe für Mr. Garcia“. Kostenpunkt per Korb: 60 Dollar, 80 Dollar und manchmal darf’s gern auch ein bisschen mehr sein. Mr. Garcia, zweifelsohne ein Mitglied der sehr kleinen, aber extrem reichen Oberschicht, wird die Körbe seinen Freunden im Polo- oder Golfclub zukommen lassen. Diese revanchieren sich natürlich in ebenbürtiger Form. Das Fest der Nächstenliebe spielt sich in den Reihen der oberen Zehntausend ab, während Millionen Familien auch an Weihnachten von einem Dollar am Tag leben müssen.

Eine schöne Bescherung ist auch die Geschenkeflut, die sich an der Schule in die Fächer meiner Kinder ergießt. Anfang Dezember trudeln die ersten Präsente ein, die wohlhabende einheimische Eltern den Klassenkameraden ihrer Sprösslinge oder gar dem ganzen Jahrgang zugedacht haben. Bedauernswerte Kindermädchen müssen viele unbezahlte Überstunden damit verbracht haben, die Mainstreamsachen – Superheroes für die Jungen, Barbie für die Mädchen – unisono einzupacken und Dutzende Kärtchen mit dem gleichen Text zu beschriften. Bis zu Beginn der Schulferien haben wir etliche Boxen gefüllt mit den ungewollten Gaben. An Heilig Abend werden sie für leuchtende Augen in Waisenhäusern sorgen.

Wie alle Jahre wieder zähle ich die Tage – aber nicht die bis zur Bescherung, sondern die bis zu unserer Flucht. Mitte Dezember geht es nach Tasmanien. Ein wundersames Eiland, auf dem die Bewohner herrlich relaxt mit dem Fest der Feste umgehen. „Hope you have a nice day“ wird es dort heißen, ob es nun Weihnachten ist oder nicht.

HILJA MÜLLER