„Gabriel findet das nicht so sexy“

Die Umweltrechtlerin Dorothee Dick über das geplante Umweltgesetzbuch, die Ziele der Ökoverbände und die drohende Abwehrschlacht gegen die Wünsche der Länder

DOROTHEE DICK, 32, arbeitet als Umweltrechtlerin beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in Berlin.

taz: Frau Dick, der Bund will weite Teile des deutschen Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch (UGB) zusammenfassen. Unterstützen die Ökoverbände dieses Projekt?

Dorothee Dick: Grundsätzlich steigert es die Akzeptanz und damit die Wirksamkeit des Umweltrechts, wenn es leichter anzuwenden ist. Wir werden das Umweltgesetzbuch aber nur unterstützen, wenn es einen echten Mehrwert für die Umwelt bringt.

Sehen Sie Umweltminister Gabriel dabei als Partner?

Ich glaube, er findet das Umweltgesetzbuch nicht so sexy. Es ist ein sperriges Projekt, mit dem man keine Wahlen gewinnt. Ich befürchte, er will nur eines: dass das UGB – egal wie – in seiner Amtszeit verabschiedet und mit seinem Namen verbunden wird. Deshalb besteht die Gefahr, dass er den Ländern zu viele Zugeständnisse macht.

Welche Art von Zugeständnissen befürchten Sie?

Besonders umstritten ist der Naturschutz. Hier wird derzeit festgelegt, von welchen Teilen des Bundesrechts die Länder ab 2010 abweichen können. Auf Wunsch der Länder hat Gabriel den abweichungsfesten Teil sehr eng definiert. Damit gibt er kampflos wichtiges Terrain auf.

Malen Sie nicht zu schwarz? Die Länder sind ja nicht gezwungen, vom Naturschutzrecht des Bundes abzuweichen.

Es stimmt, niemand zwingt die Länder, ab 2010 ein Naturschutzrecht zweiter Klasse einzuführen. Doch die Länder sehen sich nun mal in einem Standortwettbewerb um Investoren. Und da werden vermutlich niedrige Naturschutzstandards von Vorteil sein …

Das droht ab 2010. Wie sind aber die Standards im aktuellen Entwurf des UGB, das ja zunächst gelten soll?

Dieser umfangreiche Entwurf liegt uns erst seit wenigen Tagen vor. Wir werden im Januar eine ausführliche Analyse vorlegen.

Das Umweltministerium hat versprochen, dass die Standards nicht abgesenkt werden. Was machen Sie, wenn das stimmt?

Das Umweltministerium hat die Entwürfe für ein Umweltgesetzbuch (UGB) ins Netz gestellt. Es ist ein Mammutprojekt. Die ersten sechs Teile, darunter Anlagengenehmigung, Wasser und Naturschutz, haben zusammen 1.064 Seiten. Dennoch ist der Zeitplan eng. Ende 2009 soll das Ganze bereits im Bundesgesetzblatt stehen. Denn seit der Föderalismusreform hat der Bund eine umfassende Kompetenz für das Umweltrecht. Die Länder dürfen künftig zwar abweichende Landesgesetze schaffen – aber erst ab 2010. „Wenn wir jetzt ein attraktives UGB schaffen, werden die Länder keine Motivation haben, hiervon abzuweichen“, hofft Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). CHR

www.umweltgesetzbuch.de

Dann müssen wir dafür sorgen, dass diese Zusage eingehalten wird. Aber wir wollen nicht nur Abwehrschlachten führen. Eigentlich ist das Umweltgesetzbuch eine große Chance für Deutschland, ein neues, anspruchsvolles Umweltrecht zu schaffen – für besseren Klimaschutz, Gewässerschutz, Schutz der Biodiversität.

Wenn der Bund mit Verschärfungen anfängt, steigen die Länder doch aus, und es gibt gar kein Umweltgesetzbuch.

Das UGB ist kein Selbstzweck. Deutschland wird seine internationalen Versprechungen im Bereich Klimaschutz und Biodiversität nur einhalten können, wenn unser Umweltrecht die Voraussetzungen dafür schafft. Gabriel hält international gern große Reden. Aber gemessen wird er daran, was er im eigenen Land tut.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH