Gesetz zum Roden

BRASILIEN Waldgesetz vom Senat gebilligt. Nur ein Veto der Präsidentin kann Kahlschlag noch stoppen

PORTO ALEGRE taz | Die Verabschiedung von Brasiliens neuem Waldgesetz wird immer mehr zur Telenovela: Nun verabschiedete der Senat mit 59 zu 8 Stimmen jene Reform, gegen die die Umweltbewegung seit Monaten Sturm läuft. Macht Präsidentin Dilma Rousseff nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch, wird die Zerstörung hochsensibler ökologischer Schutzgebiete im ganzen Land legalisiert.

Die Novelle sieht Straffreiheit für jene Landbesitzer vor, die bis Juli 2008 die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzgebiete zerstört haben. Größere Grundstücke, im Amazonasgebiet fangen sie bei 440 Hektar an, müssen allerdings teilweise wieder aufgeforstet werden. Ausgerechnet Senator Jorge Viana von Rousseffs Arbeiterpartei PT, ein früherer Mitstreiter der Umweltschützer Chico Mendes und Marina Silva, koordinierte die Senatsnovelle. Dank ihrer würden in den kommenden 20 Jahren je 20.000 Quadratkilometer wieder aufgeforstet, meint er.

Verwirrende Änderungen

Während der Debatte handelten Agrarier Dutzende zusätzliche Gesetzesänderungen aus. Ohne dass die meisten Senatoren wussten, worum es im Einzelnen ging, stimmten sie spätabends en bloc darüber ab. Selbst zwölf Stunden nach diesem Votum herrschte Verwirrung. Auf der Website des Senats waren die Gesetzesänderungen immer noch nicht eingestellt.

Für die armen Urwaldbewohner und die Umwelt setzten sich vor allem die beiden Senatoren der linken Partei für Sozialismus und Freiheit ein. Randolfe Rodrigues und Marinor Brito aus den Amazonasbundesstaaten Amapá und Pará lehnten „im Namen all jener, die bei der Verteidigung des Urwalds ihr Leben gelassen haben“, das Gesetz ab. In Amapá, das an Französisch-Guayana grenzt, droht die ganz legale Vernichtung von 8.000 Quadratkilometern Primärwald: Weil über 65 Prozent der Staatsfläche aus Parks und Indianergebieten bestehen, sollen auf Privatarealen nur noch 50 Prozent geschützt werden, im übrigen Amazonien sind es 80 Prozent.

In ganz Brasilien sollen Schutzgebiete an Flussufern zum Teil erheblich verkleinert und soll die landwirtschaftliche Nutzung an Berghängen und Kuppen ausgeweitet werden. Schon jetzt kommt es bei heftigen Regenfällen in dicht besiedelten Gebieten regelmäßig zu großen Erdrutschen, die zahlreichen Todesopfer fordern.

GERHARD DILGER