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KUNSTRUNDGANGMeike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

In den 60er-Jahren hatte ein Ölkonzern die Idee, aus Paraffin, einem Abfallprodukt der Dieselherstellung, Fleischersatz zu machen. Als Massenware sollte es in Regionen verkauft werden, in denen Menschen Hunger leiden. Mit der Ölkrise 1973 wurde das Vorhaben allerdings eingestellt. Seitdem wird in die umgekehrte Richtung gedacht und aus Zuckerrohr oder Mais Brennstoff gewonnen. Mit dem Effekt der Monokultivierung, die dazu führt, dass Nahrung aus anderen Teilen der Welt herangeschafft werden muss, um das Überleben der Menschen zu gewährleisten, die aus Lebensmitteln Treibstoff machen. Ein irrer Kreislauf, den Tue Greenfort bei Johann König thematisiert.

Gleich im Eingangsbereich hängen Fotografien aus einem Buch von 1916. Sie zeigen Fischer beim Fang von Stören. Daneben steht ein vitrinenartiger Kühlschrank. Wie in einem Schrein wird hier Belugakaviar der Pariser Marke Kaspir Kaviar (30g für 180 €) präsentiert, selbstverständlich nicht ohne Informationen der Naturschutzorganisation Traffic bereitzustellen. Die reichen SammlerInnen werden für diese Infos hoffentlich dankbar sein. Weiter geht es entlang einem wunderschönen Quallenschwarm aus Muranoglas, einem Kohlweißling, Tiere, die sich perfekt an Monokulturen und somit an die zeitgenössische Lebensweisen anzupassen wissen. Daneben Auszüge aus Immobilienprospekten, die osteuropäische Agrarbetriebe näher bringen.Immer wieder bringt Tue Greenfort auch Zitate aus der Kunstgeschichte in seine Werke ein. Etwa mit der „Bio-Wurstwolke — After Diether Roth 1969“, für die er Salamiescheiben verschiedener Sorten zu einer Wolke gestaffelt in Harz eingelassen zeigt. Fettige Schlieren laufen von den ergrauenden Scheibchen herunter. Das sieht so gar nicht nach zeitgenössischem Schick aus, und das ist toll.

Tue Greenfort, bis 12. Januar, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Galerie Johann König, Dessauer Str. 6–7

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