Leben neben Pizzaschachteln

NERDS Eine Existenz im stillen Kämmerlein: Der 3Sat-Film „Hacker“ (Sonntag, 21.45 Uhr) gibt Einblicke in das Privatleben einer prominenten Subkultur – und zeigt leider doch wieder Klischees

VON MAX BÜCH

Er sitzt im stillen Kämmerlein, meidet Menschen und Licht. Die Tiefkühlpizzakartons stapeln sich nebst Colaflaschen auf der Schreibtischplatte. Essensreste vervollkommnen die Deko. Einsam und allein hackt er auf seine Tastatur ein, seine Verbindung zu seinem einzig wahren Freund und Weggefährten, dem Computer. Abgeschnitten von der Außenwelt kauert er vor seinem Bildschirm, liest Nullen und Einsen, programmiert Viren oder knackt Passwörter. Dazu noch ein bisschen grenzüberschreitendes Abenteuerflair à la Matrix oder lieber nur etwas Geheimdienstgemauschel, wenn es weniger fantastisch zugehen soll. Fertig ist das Bild vom Hacker.

„Hacker“ – so heißt auch ganz schlicht und einfach der Dokumentarfilm von Alexander Biedermann, der, man ahnt es bereits, jener ominösen Gruppierung gewidmet ist, unter der sich fast jeder etwas vorstellen kann, kaum jemand aber wirklich Konkretes, was auf eigenen Erfahrungen beruhen würde.

So versucht Biedermann, diese fehlenden Erfahrungen zu kompensieren und einen Einblick in das Privatleben einiger Vertreter dieser Subkultur zu bekommen, die sich den Blicken der medialen Öffentlichkeit am liebsten entzieht. Oft speist sich die Idee des Hackers eben doch noch aus den wenigen Filmschnipseln und Zeitungsberichten, in Kombination mit der romantisierenden Vorstellung eines Robin Hood des digitalen Zeitalters oder des virtuellen Piraten – Chaos Computer Club und seine Öffentlichkeitsarbeit hin oder her. Für sein „Portrait einer Gegenkultur“, wie der Film im Untertitel des Filmplakats definiert wird, trifft Biedermann sowohl Urgesteine der Szene, wie Steffen Wernéry und Reinhard Schrutzki, die beide in den ersten Jahren beim Chaos Computer Clubs (CCC) aktiv waren, als auch junge Vertreter von Hackern, wie Paul Ziegler, die sich bereits einen Namen in der Szene gemacht haben. Mit insgesamt fünf Hackern hat sich Biedermann für die Dokumentation auseinander- und zusammengesetzt und ihre fünf Einzelportraits miteinander verwoben, die durch Thematik und Szene zwar wage zusammenhängen, insgesamt aber doch recht wenig miteinander zu tun haben.

Während Paul Ziegler nach Tokio ausgewandert ist und dort neben seiner Tätigkeit am Rechner vor allem mit Frauensuche beschäftigt ist – zumindest vermittelt das der Film –, führt CCC-Veteran Steffen Wernéry seit seiner Verhaftung 1988 im Zusammenhang mit dem Nasa-Hack, bei dem Hacker sich ein Jahr zuvor Zugriff auf Rechner der US-Raumfahrtbehörde verschaffen konnten, ein eher zurückgezogenes Leben und achtet präzise darauf, keine Spuren seiner Aktivitäten zu hinterlassen, weder digital noch analog. Er möchte nicht noch einmal den Fehler begehen, andere Menschen durch seine eigene Unachtsamkeit zu belasten.

Beim Beobachten dieser überwiegend sehr interessanten Charaktere kommt sicherlich keine Langeweile auf. Dazu sind sie zu eigenwillig in ihrer Art, zu intelligent ihre Kommentare und nicht zuletzt durch ihr Spezialwissen seltsam fremd und mächtig. Doch viel mehr als der unterhaltsame Einblick, der die eigene Neugierde stillt und die Erkenntnis, dass Hacker ein gemeinsames Hobby eint, das sie exzessiv betreiben müssen, um gut zu sein, bleibt von dem Fünferportrait nicht hängen.

Die Geschichte des CCC wird kaum angerissen, der Nasa-Hack zu kurz gestreift, um dessen Tragweite und Wichtigkeit wirklich verständlich zu machen. Und leider bleibt Biedermann selbst in manchem Klischee verhaftet, wenn sich seine Auswahl auf nur männliche Protagonisten beschränkt. Die fünf Protagonisten eignen sich zwar durchaus für ein Portrait, dafür reichen aber 80 Minuten nicht aus und dafür sind die Personen zu unterschiedlich. So als würde man fünf Opernfreaks verschiedener Altersklassen porträtieren: jeder für sich vielleicht interessant. In ihrer Gesamtheit aber auch nur Menschen mit derselben Obsession.