Schwere Schlappe für die Sozis

NIEDERLANDE Bei den Provinzwahlen muss die Regierungskoalition deutlich Federn lassen. Die Partei der Arbeit verliert sechs Sitze, die VVD drei. Damit ist die Mehrheit klar dahin

Im Wahlkampf spielten die Rechtspopulisten von Wilders keine bedeutende Rolle

AUS AMSTERDAM TOBIAS MÜLLER

Die niederländische Regierung hat bei den Provinzwahlen (vergleichbar mit deutschen Landtagswahlen) am Mittwoch deutliche Verluste hinnehmen müssen. Vor allem die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA) setzte ihren Negativtrend fort. Bei der Abstimmung, die entscheidend für das Kräfteverhältnis im Senat (die Erste Kammer, vergleichbar dem Bundesrat) ist, stürzte sie von 14 auf 8 Sitze ab. Der Seniorpartner in der Großen Koalition, die marktliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte, verlor dagegen nur 3 Sitze und bleibt mit 13 Abgeordneten stärkste Partei im Senat.

Auch aufseiten der Wahlgewinner bestätigten sich die Trends: Die wiedererstarkten Christdemokraten legten einen Sitz zu und haben nun 12 Senatoren. Die liberalen Democraten66 (D66) sprangen als eigentliche Wahlsieger von 5 auf 10 Sitze. Die Sozialisten gewannen einen hinzu (von 8 auf 9) und liegen nun gleichauf mit der islamfeindlichen Freiheitspartei von Geert Wilders, die einen Sitz einbüßte. Im Wahlkampf spielten die Rechtspopulisten keine bedeutende Rolle.

Entscheidend für die Politik in Den Haag ist, dass die Koalition mit diesem Ergebnis in der Ersten Kammer keine Mehrheit besitzt. Effektiv war diese ohnehin auf die Unterstützung dreier Oppositionsparteien angewiesen: der D66, der ChristenUnie und der fundamental-calvinistischen SGP. Mit der neuen Sitzverteilung stellt die Regierungskoalition jetzt nur noch 36 von 75 Senatoren. Für die verbleibende Legislaturperiode bis Anfang 2017 heißt das effektiv, dass die Regierung eine weitere Hilfskraft anstellen muss.

Premierminister Mark Rutte versuchte so zuversichtlich wie möglich auszusehen, als er am Wahlabend verkündete: „Das Kabinett macht weiter.“ Projekte wie die geplante Steuerreform aber dürften in der aktuellen Konstellation kaum realisierbar sein. „Durchwursteln“ ist das neue Motto, so das Algemeen Dagblad am Donnerstag, das dem Kabinett zugleich bescheinigte, in Anbetracht der Fragmentierung beider Parlamente nur noch um sein Überleben zu kämpfen.

Mit dieser Ausgangslage werfen die kommenden Wahlen zur Zweiten Kammer nun ihren Schatten voraus – unabhängig davon, ob sie wie geplant im Frühjahr 2017 oder schon früher stattfinden werden. Die langfristige Tendenz macht die Bildung einer stabilen Koalition zunehmend schwieriger, da immer mehr Partner dafür nötig sind. Das eilig geschlossene Zweck-Bündnis zwischen VVD und PvdA war zuletzt die Ausnahme. Spätestens nach den Provinzwahlen ist es ein Auslaufmodell.

Bestätigt hat sich auch ein anderer Trend: Die Zeche für den drastischen Sparkurs der Regierung zahlen die Sozialdemokraten. Deren Abwärtstrend hat mit der dritten schweren Niederlage dramatische Formen angenommen. Der prominente PvdA-Senator Adri Duivesteijn warf der Parteispitze am Donnerstag vor, in „einer anderen Welt zu leben. Der heutige Kurs müsse „sehr ernsthaft diskutiert“ werden.

Die VVD hingegen dürfte von der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Erholung profitieren. Hinsichtlich möglicher Koalitionspartner wird man sich dann wohl eher nach rechts orientieren: mit Christemokraten und D66 warten dort zwei Kandidaten, denen die Sparpolitik näherliegt als der PvdA.