Frischer Wind für die Blockierer

PROTEST Das Blockupy-Bündnis sieht sich nach den Frankfurter Protesten gestärkt und lehnt eine Distanzierung von gewalttätigen Aktionen ab. Als Nächstes im Fokus: Berlin, Brüssel und Athen – nicht aber das G-7-Treffen auf Schloss Elmau

Jetzt wird diskutiert, Proteste in Berlin zu organisieren – am Kanzleramt oder am Finanzministerium

AUS FRANKFURT MARTIN KAUL
UND ALINA LEIMBACH

Am Tag nach den teils gewalttätigen Protesten in Frankfurt am Main und massiver öffentlicher Kritik sieht sich das Blockupy-Bündnis gestärkt.„Für uns ist klar: Blockupy macht jetzt erst recht weiter“, sagte der Sprecher des aus zahlreichen kapitalismuskritischen Gruppen bestehenden Bündnisses, Aaron Bruckmiller, am Donnerstag der taz. „Beim nächsten Mal legen wir noch eine Schippe drauf.“

Das ist eine klare Ansage. Am Mittwoch hatte das Bündnis in Frankfurt zu friedlichen Straßenblockaden und einer Großdemonstration aufgerufen. Schon in den frühen Morgenstunden war es jedoch zu massiven Ausschreitungen gekommen. Militante warfen im großen Stil Schaufensterscheiben ein, steckten Fahrzeuge in Brand und errichteten immer wieder Barrikaden. Im Laufe des Tages beruhigte sich die Lage. An einer friedlich verlaufenden Großdemonstration am Abend nahmen rund 20.000 Menschen teil.

Bündnisintern werten die Beteiligten die Proteste als großen Erfolg. Nun will das Blockupy-Bündnis seine Aktionen noch ausweiten. Unter den beteiligten Gruppen wird diskutiert, Großproteste in Berlin zu organisieren – direkt am Kanzleramt oder am Finanzministerium. Das hat aus Sicht der Bewegungsstrategen zwei Vorteile: Erstens hatten sie mit ihrer Kritik an der Europäischen Zentralbank eine Institution kritisiert, die man nur teilweise für die Krisenpolitik in Europa verantwortlich machen könne. Zweitens gelten die politischen Strukturen antikapitalistischer Gruppen in Berlin als gewachsen und vielseitig. In Frankfurt gibt es nach über dreijähriger Bündnisarbeit dagegen Ermüdungserscheinungen.

Andererseits ist Berlin Demonstrationen gewohnt und die Hauptstadt als Ort des Protests damit schwerer zu bespielen. Um dort die Aufmerksamkeit zu erhalten, die es in Frankfurt am Mittwoch gab, müsste womöglich noch wesentlich mehr passieren. Im Blockupy-Bündnis wird deshalb auch darüber nachgedacht, gemeinsam mit anderen europäischen Gruppen zu Protesten in Brüssel zu mobilisieren. Auf einem gemeinsamen Planungstreffen will das Blockupy-Bündnis im Mai über die weitere Strategie beraten. Kurz darauf ist ein internationales Treffen linker Gruppen in Athen geplant, bei dem es auch um Strategien einer europäischen Zusammenarbeit gehen soll.

Dass künftige Proteste ganz ohne Krawalle auskommen könnten, ist eher unwahrscheinlich: An den Protesten am Mittwoch in Frankfurt hatten sich auch zahlreiche internationale Gruppen beteiligt, etwa aus Italien, Frankreich und Spanien – darunter auch solche aus dem anarchistischen und anarchosyndikalistischen Spektrum. Unter dem Stichwort „Destroika“ hatten militante Gruppen mit teils martialischen Videos schon Wochen zuvor zu den Protesten mobilisiert. Den Protagonisten dieser militanten Aktionen gilt das Blockupy-Bündnis als zu reformerisch orientiert – umgekehrt mangelt es an Kontakten von Blockupy-Vertretern etwa von Attac in das gewaltbereite Milieu.

Das Blockupy-Bündnis deshalb unter Generalverantwortung zu stellen ist nicht ganz fair. Allerdings: Das Wort „Distanzierung“ nahmen die Sprecher von Blockupy nicht in den Mund. „Wir distanzieren uns nicht pauschal“, sagte am Donnerstag ein Sprecher. Man will offenbar die Ausschreitungen als soziale Unruhen gedeutet wissen – und über die Krisenpolitik Europas diskutieren statt über ordnungspolitische Maßnahmen in den eigenen Reihen. Über das Ausmaß der Gewalt waren jedoch auch Vertreter des Blockupy-Kerns verwundert und entsetzt. Mehrfach haben sie ihr Entsetzen über manche Aktionen kundgetan– etwa über Angriffe auf voll besetzte Straßenbahnen oder Feuerwehrfahrzeuge. „Wir glauben nicht, dass diese Gewalt uns hilft, die Wut der Menschen in der breiten Bevölkerung verständlich zu machen“, sagte etwa Eberhard Heise, der im Blockupy-Bündnis für Attac spricht.

Den Gegenbeweis dazu traten allerdings zahlreiche Journalisten an. Beim ARD-„Brennpunkt“ am Mittwochabend etwa ging es einführend nur kurz um die Gewaltfrage. Anschließend bekam die hessische Linkspartei-Politikerin Janine Wissler umfassend Gelegenheit, ihre politischen Positionen darzustellen – eine Berichterstattung, die es ohne die Ausschreitungen wohl kaum gegeben hätte.

Folgt auf die Proteste in Frankfurt also ein heißer G-7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern im Juni? Das ist schwer zu sagen, aber eher unwahrscheinlich. Zwar wollen auch einzelne Gruppen aus dem Blockupy-Bündnis zu Protesten in den Süden rufen. Der große Blockupy-Zug zieht aber überwiegend an Schloss Elmau vorbei. Die geografische Lage und die politischen Strukturen rund um die abgeschottete Örtlichkeit gelten als Frustrationsvorlage für Aktivisten. Hier sind es vor allem Gruppen aus München, die den Protest gegen den G-7-Gipfel vorbereiten. Wie groß diese Proteste werden könnten, lässt sich derzeit noch schwer absehen.